1.4 Stadien der Pop-Kultur aus theoretischer Sicht 119 wenn »primary modernist opposition of true culture and an ever-to-be suspected and despised mass culture« (DOCKER 1994, S. 147) gilt. Hierbei ist der amerikanische Pragmatismus völlig illusionslos an der Realität orientiert, während europäisches Denken stets Autoritarismus inkludiert: Einige wenige wissen stets, was für die Massen gut sei! Dieser versteckte Autoritarismus könnte jene oftmals beobachtbare, seltsame Paradoxie erhellen, dass die Apostel der popular Arts einer Popularisierung, selbst ihrer Gedanken, unwillig gegenüber stehen. Popularisierung mag eine Glättung von Ideen mit sich bringen, Popularisierung kann aber auch mit der Verführung über das Spiel mit den Sehnsüchten, durch kommerzielle Distribution, als Verstärker wirken, als Verstärker gesellschaftsverändernder und nicht stabilisierender Haltungen. Auch wenn HORKHEIMER & ADORNO (1971) nur diese stabilisierende Funktion sehen, kann die Entwicklung alternativer Parteien aus ursprünglich gegenkulturellen und später zunehmend alternativen Konzepten der Rock-Kultur erklärt werden. So erwuchs aus der pubertären Selbstbestimmung und dem Üben von Kollektivverhalten im Zusammenwirken von Pop-Musik und den Medien politische Haltung, zentriert in den alternativen Parteien; eine entsprechende überparteiliche Haltung entstand in allen etablierten Parteien. Aber Pop ist nicht Medium einer politischen Alternative, Pop als Körperkultur ist Katalysator, dieser: »Rock’n’Roll war nie politische Jugendkultur, das sind nicht Parteien, sondern Orgasmen, nicht Parlamentarismus, sondern Körperpolitik« (DIEDERICHSEN 1996). Damit spricht DIEDERICHSEN die Metaqualität von Pop abseits ihrer sprachlich vermittelnden medialen Qualität an und berührt implizit die hedonisch funktionale von Pop und ihrem Sound. Zugleich schreibt DIEDERICHSEN (1996) der Theorie von Pop, zu der sich die Theoretiker nur im Zustand ihrer Avantgarde bekennen, seine Wirkkraft zu. JACOB (1996) spricht die Theoretiker der Dissidenz schuldig, indem sie der vermarktenden Industrie Stoff lieferten. Abseits dieser Reflexionen der wortgeladenen Ebene von Pop erkennt die Ge-neration, die Pop in Theorie und Praxis zugleich lebt, seine vorsprachliche oder parasprachliche Wirkung des Sounds of Pop – was die Alten stets nur sangen, reden nun die Jungen: Vor jedem Verstehen wirkt Pop unmittelbar körperlich. Damit wird dem linguistisch semiotischen Modell das funktionale nicht nur in der zeitli-chen Wirksamkeit vorangestellt. Sound vermittelt nicht eine andere Welt, Sound konnotiert eine andere Welt: über Erregung. 1.4 Stadien der Pop-Kultur aus theoretischer Sicht 1.4.1 Die Sichtweisen der Gegenkultur Im Wechselspiel zwischen Affirmation (HORKHEIMER & ADORNO 1971) und Dissi-denz (HEBDIGE 1979) ist Pop das Medium gesellschaftlicher Entwicklung. Industria-lisierung, Technologisierung und Mediatisierung haben ein allgemeines Verständnis für alle soziologischen und individuellen Implikationen gebracht: Arbeitsteiliges Schaffen, die Umbewertung des Massenprodukts und die »Beinahe-Gleichsetzung« von vermittelter Fremderfahrung mit der unmittelbaren Eigenerfahrung; letztlich