1.4 Stadien der Pop-Kultur aus theoretischer Sicht 127 mit Christian HÖLLER (ebenda, S. 33). Hier werden wiederum das Kollektiv als Verstärkungsfaktor individuellen Verhaltens angesprochen wie bei BENJAMIN und in der Begriffsschöpfung Interpassivität – die rhythmisch dynamischen Elemente von Musik sind die Trigger dieser emotionalen Erregung, die zu körperlicher Erregtheit und zu kollektiver Bewegung führen. Pop, sein Sound wirkt hier als Katalysator in einem emotionalen als auch politischen Klima (JAUK 2002a). Diese sensorische Qualität von Musik weist sie im Konglomerat der Teile von Pop- Kultur als spezifisch aus. Seine Betrachtung als Stimulus – bevor Klang zeichenhaft wird – ist ein Grundanliegen der vorliegenden Arbeit. Einem sprachorientierten zeichenhaften Zugang zu Pop als Musik, wie er aus der Hochkulturforschung und den Forschungen der anderen Teile der Pop-Kultur übernommen wurde, stellt sich hier die Erforschung der kollektiven emotionalen Qualität der Pop-Musik in Generierung und Rezeption entgegen und wird den Methoden sprachorientierter Forschung vorgezogen. Das Konzept Subkultur ist möglicherweise Sache eines Diskurses, die Projektion der intellektuellen Schicht der Theoretiker: Typisches Bild der sechziger Jahre in der Wissenschaft, der beginnenden Selbstreflexion mit Mitteln der Wissenschaft in szeneeigenen Zeitschriften wie in der Kunst, der Pop-Art, der Kontext-Art, des dekonstruierenden postmodernen Spiels mit sozialen Rollen und Images, die zu bestimmenden Teilen des Pop werden. Das subkulturelle Gegenhaltungskonzept ist eher die Sicht der sechziger Jahre, das Pop-Leben in den Anfängen der 50er Jahre stellt sich als gezielt kontrollierende Unterhaltung dar. In den späten sechziger Jahren ist Pop aber nicht nur die Kultur der aufgeklärten Jugend, wie dies stets als surrounding der Studentenbewegung dargestellt wird, sondern der Massen von Mitläufern, die einer Mode frönten und Gegenkultur als Hedonismus lebten. Allen voreiligenWertungen sei entgegen getreten – das massenhaft Gelebte ist das was verändert, nicht die proklamierte Veränderung. Hier unterscheiden sich postmodernes und modernes Konzept von Pop-Kultur. Aus dieser Perspektive betrachtet ist jedenfalls auch dieser Phase von Pop als Subkultur der Hedonismus nicht fremd. 1.4.5 Das gesellschaftsverändernde Spiel mit dem Verkauf von Gegenhaltung Der Verkauf von Gegenhaltung ist ein wirtschaftlicher, zugleich aber auch politischer Akt: er bringt Profit und Sieg für beide Parteien. Sah die Szene der sechziger Jahre einen ideologischen Widerspruch zwischen dem authentischen Rock aus Subkulturen (HALL & JEFFERSON 1976) und dem kommerziellen Pop als Instrument der Stabilisierung kapitalistischer Systeme (HORK-HEIMER & ADORNO 1971), hat sich diese rigide Haltung in sich gegenseitiges Gebrauchen verändert. Das, was im Haltungs-Gegenhaltungs-Konzept, den sich ausschließenden Gegensätzen authentischer und kommerzieller Musik, verpönt war, thematisierte Punk: Die antipodische Symbiose zwischen Kulturindustrie, den Medien und Pop. Im Verkauf von Gegenhaltung liegt eine gesellschaftsaffirmierende wie auch -verändernde Potentialität von Pop.