128 Populäre Kultur und ihre Musik Der Mainstream macht Avantgarde erst fruchtbar, denn der Gebrauch der Sub-kultur durch die daraus profitierende Medienindustrie ist die Möglichkeit für die Subkultur, dass sie wirksam wird. »Popmusik war nie eine unschuldige Substanz, die durch das Hinzutreten von Marktgesetzen nachträglich verunreinigt wird, sondern bleibt unhintergehbar durch ihren Warencharakter definiert. Auch als Medium von ›Dissidenz‹ kann sie nur wirksam sein, solange sie sich am Markt bewährt; andernfalls bliebe ihre Botschaft ungehört« (GURK 1996, S. 21). Maximaler Nutzen für beide Seiten besteht, wenn die eine ihre Botschaft so klar wie möglich versenden kann, für die andere, wenn diese Botschaft so wenig wie möglich an den eigenen Grundfesten der Logik der Warengesellschaft kratzt. Möglichst große Verbreitung ist der gemeinsame Nenner. Stilisierung der Gegenhaltung, sie wird zum Kauf ver-führende Ware; ›Differenz‹ (MAYER 1996) ist die marktwirtschaftliche Methode, die der Authentizität am meisten schadet, das Hacker-Spiel des Malcolm McLaren mit dem Verkauf einer Differenz, die der Doppelbödigkeit der Gesellschaft moralische Ventile schafft und diese als Kaufmotivation nutzt, demaskiert am meisten eben diese doppelbödige Gesellschaft, die sogar noch an ihrem schlechten Gewissen aus Doppelmoral verdienen will. JACOB, selbst jener Theoretiker der Pop-Kultur, der der Theorie des Pop ge-sellschaftliche Wirkung zuschreibt, dass also auch durch die Theoretisierung ihre Subversion manifestiert werde, ist zugleich Kritiker ihrer subversiven Möglichkeiten. Er nimmt eine extreme Position insofern ein, als er den Theoretikern der Dissidenz unterstellt, durch ihre Arbeit indirekt den Marktwert von Subkulturen zum Verkauf durch die Kulturindustrie zu steigern (JACOB 1996) und somit Verkaufsstoff für die Industrie zu liefern. Wie immer auch konstruiert, wie immer auch dekonstruiert dürfte das Haltungs- Gegenhaltungskonzept Sache eines modernen Diskurses sein. Der massenhaft gelebte Pop wird durch diese feinen Botschaften kaum erreicht, die Masse schwelgt lustvoll im Sound: gerade darin liegt die politische Massenwirkung von Pop. Die Avantgarden haben es postuliert, die Jugendkultur hat es verwirklicht: Kunst ist Leben gewor-den, aufklärerisches Schreibtischgehabe mutiert zu hedonischem Alltagstreiben. Die Pop-Avantgarde hat ein gespaltenes Verhältnis zu sich selbst, was die postulierte Popularisierung ihrer Haltung betrifft. Wird ihr Gedankengut zu dem der Masse, distanziert sie sich von diesem. Verwechselt solche Avantgarde im Namen des Fort-schritts elitäre Selbsttümelei mit Aufklärung? Andererseits dominiert zunehmend der hedonische Aspekt die Pop-Kultur und löst Aufklärertum als politische Haltung ab. Die emotionale Aufladung von Gegenständen, der Mechanismus des Designs, entstand aus der Verflechtung von Industrie und Wirtschaft. Der Verkauf von Produkten nicht über deren Gebrauchswert, sondern über deren Images wurde in den britischen Art Schools erlernt und ist über diese bzw. über die von dem erziehenden Gedanken freiere amerikanische Kultur, die ihre Produktionsstätten »factory« nennt, in die Pop Art wie Pop-Musik eingewandert; so hat das soziale Design, die gezielte Image-Erzeugung, Gegenstand und wohl auch Ziel kommerzieller Medien, die Basis der gesamten Pop-Welt erbracht. Hype-Produkte sind orientiert an den Sehnsüchten der Masse; Lust ist der Verführer, die Flüchtigkeit des Alltags ist Garantie für ständige Innovation und mehr Produktion und Verkauf, somit Stabilisierung eines