1.4 Stadien der Pop-Kultur aus theoretischer Sicht 131 Körpers tritt die expressive. Man agiert sich aus (SCHULZE 2000, S. 154) [. . . ]. Man geht in die Diskothek, taucht in ein Ambiente von Musik, Lichtreflexen [. . . ] und ein wenig Erotik ein, um nach einer gewissen Zeit einfach wieder hinauszugehen. Die Ästhetik von Spannung als konstantem Zustand, nicht als zyklischem Prozeß ist das Genussprinzip [. . . ]. Damit die Spannung erhalten bleibt, muß es immer etwas Neues geben. Musikalisch wird Spannung durch Synkopen und vorwärtstreibende Rhythmen ausgedrückt, durch Lautstärke und besondere Betonung der Bässe, durch Klangfarben (Saxophon, E-Gitarre, Keyboards), Stimmlagen und Präferenz für heiseres Timbre, durch die Harmonie der Septen, Sekunden und verminderten Quin-ten. Genußschema ist das Ausagieren von Spannung, [. . . ] dieses Genußschema [sei] als Action bezeichnet [. . . ] Feindbilder dieses Spannungsschemas sind Langweiler in verschiedenen Varianten« (ebenda, S. 155). Nicht mehr gegen das erfolgreiche Establishment derer über dreißig richtet sich das Spannungsschema. Die Distinktion »richtet sich vielmehr gegen die bürgerliche Variante des Etabliertseins im Sinne von Konventionsbestimmtheit [. . . ]. Diese Art der Distinktion ist antikonventionell. Unentdeckt bleibt dabei meist die dieser Distinktion innewohnende Paradoxie, dass auch Unkonventionalität zur Konvention werden kann« (ebenda, S. 156). In der Lebensphilosophie des Spannungsschemas ist das Ich nur mit sich selbst konfron-tiert. »In der einfachen Form dieser Philosophie geht es darum, das Selbst gut zu stimulieren und in Szene zu setzen (Unterhaltungsmilieu), in der elaborierten, gebildeten Form um seine Entfaltung (Selbstverwirklichungsmilieu). Unterhaltung und Selbstverwirklichung sind Varianten einer Lebensphilosophie, für die sich die Bezeichnung Narzismus anbietet« (ebenda, S. 156). »In der Lebensphilosophie des Spannungsschemas, besonders verkörpert durch Popstars, gibt es einerseits nichts Größeres als einen selbst, andererseits gibt es dies vielfach« (ebenda, S. 157). SCHULZE beschreibt hier auf der Basis von empirischen Studien in Deutsch-land das Aufkommen eines hedonischen Massenkulturstils und schreibt der Musik, bestimmten populären musikalischen Stilen mit der Dominanz auf rhythmischen klanglichen Elementen und deren Intensität dabei funktionale Beziehung zu; das »Angenehmheitserleben«, diese erregende Funktion von musikalischen Parametern, wirkt zudem als Größe der Selbstbestimmung und damit als Größe der sozialen Distinktion. Dieses Spannungsschema ist mit dem Populären gewachsen und ergänzt nun ein Hochkultur- und Trivialschema. »Es überrascht vor allem, daß das Trivialschema nicht etwa den kollektiven Gegenpol zur Hochkultur darstellt. [. . . ] Hochkultur-und Trivialschema sind nicht mehr entgegengesetzte Endpunkte ein und dersel-ben ästhetischen Dimension, an der sich die gesamte Bevölkerung anordnen ließe. Vielmehr haben wir es mit zwei Dimensionen zu tun, die in allen möglichen Aus-prägungskombinationen durcheinander gemischt sind und nur eine leicht negative Korrelation aufweisen. Kulturhistorisch gesehen zeigt sich der dimensionale Raum alltagsästhetischer Schemata in einem Prozeß fortschreitender Differenzierung: Auf die lange Periode der einpoligen hochkulturellen Alltagsästhetik folgte ein Zeital-ter, in dem Alltagsästhetik immer noch eindimensional, aber bipolar durch das Verhältnis von Hochkultur- und Trivialschema geprägt war. Im zwanzigsten Jahr-hundert verlor sich die eindimensionale Gegensätzlichkeit dieser Schemata immer mehr. Ein zweidimensionales Modell persönlicher Studie beschreibt den kollektiven