1.4 Stadien der Pop-Kultur aus theoretischer Sicht 133 gung der Möglichkeiten lässt das Individuum von einem schöpferischen zu einem wählenden werden. Hedonismus ist jener Anteil der Innenorientierung, der dieses Wahlverhalten bestimmt – damit ist eine soziologische Thematisierung des Körpers notwendig im Zusammenhang mit Theorienbildung über hedonisches Verhalten. Alltagsästhetische Schemata sind dann auf der Basis psychophysiologischer Theorien, des Wahrnehmens, der Emotion und des Verhaltens zu betrachten, wie BERLYNE sie bereitstellt (vgl. SCHULZE 2000, S. 89). Gemeinsam mit der Ästhetisierung des Alltags ist diese hedonische Erlebnis- Gesellschaft (SCHULZE 2000) auch von Verwissenschaftlichung gekennzeichnet. Genährt von alternativ/grünem Gedankengut rückt diese abseits der Stützung durch Erfahrung in die Nähe parawissenschaftlicher Bekenntnisse – eine Mystik des Irrationalen weicht der Mystifizierung des Rationalen – Esoterik als eine reaktive Begleiterscheinung der Aufklärung, der Naturwissenschaft, der Technik? Irmela SCHNEIDER (1998) interpretiert WELSCHs (1993) Oberflächenästhetisie-rung als die Inszenierung von Alltagsphänomenen. »Das Motiv, solche Oberflächen-inszenierungen vorzunehmen, liegt heute in erster Linie darin, Erlebnisqualitäten zu generieren. Anders formuliert: wenn von Ästhetisierung gesprochen wird, so verspricht dies eine neue Erlebnisqualität. In diesem Zusammenhang aufschlußreich ist Gerhard Schulzes mittlerweile viel zitierte Studie zur Erlebnisgesellschaft (2000). Schulze stellt in seiner Kultursoziologie der Gegenwart die Entwicklungen seit der Nachkriegszeit als Übergang von der Industrie- zur Erlebnisgesellschaft dar. In seinen Überlegungen nimmt auch die Kategorie der Ästhetisierung einen zentralen Stellenwert ein, denn der Prozeß der Modernisierung, so seine Grundthese, ist durch die Ästhetisierung des Alltags in ein neues Stadium getreten [. . . ]. Entscheidend in diesem Wandlungsprozeß ist die allmähliche Ablösung der ökonomischen Semantik durch eine psychophysische [. . . ]. Im Zuge solcher Veränderungen wandelt sich das Konsumverhalten. Innerhalb der ökonomischen Semantik mißt der Mensch das, was er kauft und konsumiert an dem Gebrauchswert, er orientiert sich am Kosten-/Nutzen-Verhältnis. Sein Konsumverhalten ist also außenorientiert. Inner-halb einer psychophysischen Semantik mißt der Mensch das, was er konsumiert, an dem Erlebniswert. Es ist für ihn entscheidend, wie er sich fühlt, wenn er etwas kauft und konsumiert. Sein Konsumverhalten ist innenorientiert« (SCHNEIDER 1998, S. 145–46). Jugendkultur verkauft mit Pop-Musik keinen Gegenstand, Pop-Musik verkörpert einen Erlebniswert, ihr Sound ist das unmittelbar emotional erregende Mittel dazu: Image, Emotion, Körper, Hedonismus sind jene Tools, mit denen die Erlebnisgesell-schaft spielt – Pop ist der Katalysator, an dem sich diese Kultur entwickelt (vgl. SCHULZE 2000). Allgemein sehen Theoretiker der Moderne Pop-Musik als über die Verführung des Versprechens der Erfüllung von Sehnsüchten funktionierende Affirmation der Gesell-schaft; ihre auf Postulaten aufgebaute Gesellschaftstheorie sieht in der Pop-Musik keine Alternative. Beobachter vor allem der britischen Szene der 70er-Jahre ahnen in ihr das Erstarken der Massen und werten sie als Zeichen sozialer Umschichtung. Für die Postmoderne ist Pop-Musik die veränderte Kultur, eine Hybridform von Kultur, Wirtschaft und Politik.