134 Populäre Kultur und ihre Musik Was später am dominanten innermusikalischen Parameter von Musik, dem Sound, diskutiert wird, soll hier über die Surroundings und das außermusikalische Umfeld in dem sich Pop-Musik entwickelt hat, angesprochen werden – gleichsam kulturelle gesellschaftspolitische Entwicklung aus dem Blickwinkel der über Sound erregenden Popmusik. Hedonistische Kultur wird als Oberflächen-Kultur apolitisch gesehen – dies ist der Blick des Aufklärertums auf eine (auch) über Sound erregende, bewegende und damit handelnde statt proklamierende Kultur – eine Kultur der gelebten statt verweisenden Form Sound. 1.4.7 Pop als hedonische Körperkultur: Implizite politische Agitation Pop ist eine hedonische Kultur, wenn auch die aufklärerische Sicht der sechziger Jahre, als letztes Aufbäumen der Moderne, dies kurzfristig überstrahlt hat. Hedo-nische Musik ist monoton in langen, minimal sich verändernden Passagen ebenso wie laut und klangintensiv und rhythmisch differenziert – zwei Pole hedonisch erregender Struktur. Elektronik ist ihr geeignetes Instrumentarium. Wechselseitige Steuerung von klangerzeugenden und klangmodulierenden Modulen des Synthesi-zers erzeugen Patterns von exciting Sounds mit high intensities. »High Energy« ist bezeichnenderweise ein Disco-Stil der siebziger Jahre. Pop war stets eine Körper-Kultur. Techno und Hip-Hop, oftmals als Antipoden, als abreagierende Unterhaltung versus aufwiegelnde Belehrung, gehandelt, lösen ihren scheinbaren Widerspruch in der New School; Hedonismus ist Rezeptionsart und Forderung und damit implizite politische Agitation. Techno ist als Stimulans auf körperliche Rezeption gerichtet. Hip-Hop bedient sich desWortes – seine performance ist das gestische Wort (vgl. HEINZLMAIER 2004), das verkörperte Wort. Musikalisch sind beide repetitive Musik elektronischer Machart. Pop hat als Tanzmusik begonnen und ist über den weißen aufklärerischen Weg wieder zur Tanzmusik geworden: körperliches Verhalten bestimmt diese Pop-Kultur, die das Tanzen vor das Reden reiht, die den Körper vor den Geist stellt und damit in gelebter Weise idealistische Grundsätze implizit unterwandert. Selbst in der aufklärerischen Phase steht der Körper im Blickpunkt: Politische Freiheit wird über den Katalysator sexuelle Freiheit gefordert – Beschränkung des Hedonismus macht gefügig – gelebter Hedonismus macht frei; Freiheit über freie Sexualität, manifestartig postuliert, wird zumindest in Ansätzen rebellisch mit dem Körper erkämpft – exciting sounds bringen die emotional aufwiegelnde Grundstimmung dazu. Als explizite Forderung ist dies eine der dominanten Haltungen des aufklärerischen Pop. Auf unterschiedliche Art ist Pop damit eine hedonischen Körperkultur mit impliziter oder expliziter politischer Agitation. »Audiences participate in popular music in ways that are physical (singing along, tapping, clapping, dancing, sexual arousal and so on); emotional (›feeling‹ the music, reminiscing, romanticizing, achieving a spiritual ›high‹ and the like); and cognitive (processing information, learning, stimulating thought, contributing to memory, framing perceptions, and so forth). A listener may react to music directly by experiencing it in a very personal way [. . . ]. But the social dimensions of the music listening are more abundant« (LULL 1992, S. 19).