138 Populäre Kultur und ihre Musik erstarkte die britische Rock-Szene. Sie baute auf dem amerikanischen Mulatten Rock’n’Roll auf und gebar bereits im Umfeld der ideologischen Prägung durch die Beat-Generation ihrerseits aus dem Amateurismus der Skiffle-Szene den Mersey- Beat und anderen Orts aus der Jazz nahen Rhythm & Blues-Szene den adoleszenten britischen Rock. Die fünfziger Jahre sind die Jahre der (schwelenden) Vorbereitung einer Jugendkul-tur. Sie markieren den Übergang von einer (kontrollierenden) Kultur für die Jugend zu einer Jugendkultur. Klingen in Musik und Film Probleme der Ich-Werdung einer Generation an, so scheint doch die Vermutung zu stimmen: »The real problem [in the 50s] seemed to be that youth was not a problem« (GROSSBERG 1992, S. 143) – noch nicht! Sie schien kontrollierbar zu sein. Die sechziger Jahre sind durch den Versuch der Selbstbestimmtheit, durch Selbst-organisation geprägt. Club-Szenen-Struktur und die Funktion Tanz sind die sur-roundings der musikalischen Kreation »Beat«. Mit dem Überschwappen von den Staaten nach Großbritannien traf der Rock’n’Roll auf eine amateuristische Skiffle Szene, die ihrerseits den Irish Folk vereinnahmt hatte und kreierte mit der Ver-schmelzung dieser Stile in der regionalen Abgeschiedenheit den Mersey-Beat in einer selbstorganisierten, eigenständigen Jugendszene. Die Organisation von Tanzveranstaltungen in der Club-Szenen-Struktur von Liverpool findet sich später in der Techno-Szene wieder. Das Musikmachen wie sein Verkaufen vollzieht sich in einem gemeinsamen, vom Wir-Gedanken bestimmten – Musikleben, das DIEDERICHSEN (1993) in »Freiheit macht arm« heute als Kinder-traum wertet; ein Kindertraum vom kollektiven Erwachsensein, der Adoleszenz. Erstmals sind Musiker, die Macher und die Rezipienten Angehörige einer Genera-tion, die sich durch ein unspezifisches Wir-Gefühl (fast dogmatisch) solidarisieren. Die Zuschreibung von Authentizität zur Musik der sechziger Jahre geht von der Selbststilisierung dieses Versuchs der Selbstübernahme der Jugendkultur mit dem Mersey Beat aus, wird später verstärkt durch den Rückgriff auf die black roots des Blues in der Londoner Szene und geht schließlich einher mit der politischen Haltung der britischen Theoretiker der Pop-Kultur im CCCS. Die Medien verbreiten dieses rotzige wie hedonische Wir-Feeling. Die musikalische Konservierung des emotionalen Klimas des Clubs findet sich im Slap-Echo. Die deutlich hörbaren early reflections der damaligen live Akustik wurden als Slap-echo der solierenden Stimme und den Instrumenten beigefügt, eine Simulation des akustischen Raums, die die Erfahrung triggern und damit die Konnotation dieses emotionalen Raums erregen sollte. Der akustische Raum trägt den emotionalen weiter und wird iconisches sign für Rock’n’Roll im Tanzclub, später für die Stimme Lennons, der mit dem rebellischen Rock assoziiert wird. Auf dem mit Rock’n’Roll entstandenen Medium »Schallplatte« wurde diese emotionale Heimat, der Tanzsaal, als emotionaler und sozialer Raum pubertierender Jugendlicher akustisch »abgebildet«: Slap-Echo und applaudierende Partizipienten oder erregt kreischende (meist weibliche) Stimmen werden dem Mix beigefügt und erhöhen die emotionale Immersion der medialen Rezeptionssituation: nicht nur Musik wird mediatisiert, auch die Situation ihrer hedonischen körperlichen Rezeption.