142 Populäre Kultur und ihre Musik selbe Sprache. In der Genese von Pop dürfte damit eine Überbewertung einher gehen, die wirksamere Gegenhaltung ist möglicherweise jene des Hedonismus. Erst postmoderne Theorien fassen diese kleinen Brüche. Die Instrumentarien der mo-dernen Wissenschaft erzeugen einen blow up – Effekt: die Reflexion der sechziger Jahre zeigt weniger die Gegenhaltung, sie ist ein Artefakt des Blickes der ratio-nalen Moderne und bläst eine im Politischen wie im Denksystem des Zeitgeists vorgesehene Kategorie auf, obwohl sie im Leben bloß rudimentär vorhanden war: Gegenhaltung der 60er Jahre ist eine Sache des Diskurses und möglicherweise erst über diesen politisch wirksam (JACOB 1996). Zudem geschieht hier erstmals ein medialer Distributionseffekt, wie er dem Zusammenwirken mit dissidentem Pop eigen ist. Erstmals werden Steinwürfe und Protest-Aktionen Intellektueller über das populär werdende Fernsehen archiviert und in unzählbarer Vervielfältigung und Wiederholung ausgestrahlt und damit gewichtet. Insgesamt ist diese aufklärerische Haltung weniger Kennzeichen der Gegenhaltung, denn Katalysator der weißen etablierten und auch Wissenschaftswelt. Hedonismus liegt außerhalb des Blickwinkels idealistisch geschulter Theoretiker – Klang als körperlich agitatorisches Element und nicht als Zeichen ist selbst nach der Erfahrung von High Energy im Disco und der Stilisierung von Tempo, Lautstärke und Rhythmus im Techno selten Gegenstand der Forschung. Politisch sei die Annahme einer direkten Klang-Körper-Koppelung, der man sich kraft des Willens nicht entziehen könne – inkorrekt. Die Wissenschaft betont stets die kognitiven Bedingungen der Reagibilität (vgl. HARRER & HARRER 1985), missachtet jedoch deren gezielte Inszenierung wie die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit direkter Wirkung durch hohe Intensitäten (vgl. WUNDT 1974). Abseits des eingeschränkten Zugangs der Forschung wird diese Musik täglich gemacht, gehört und wirkt möglicherweise auf dieser basalen Ebene, wo syntaktische Elemente direkt erregen, wo das Surrounding eine dies begünstigende Situation schafft; die Erfahrung hedonischen Verhaltens wird nachhaltig ins Leben weiter getragen und führt zunehmend zu einer Informalisierung der Gesellschaft, wird zu einer politischen Haltung. Was Wissenschaft und Kunst bemüht haben, ist über Pop politische Realität geworden: Demokratisierung und Informalisierung – die wissenschaftliche Reflexion ist meist eine externe, die mit dem Verständnis von Zeichen und nicht dem der unmittelbaren Wirkung diesem klimatischen Prozess entgegen tritt. Waren selbst die verbalen Signs nur selten für die Jugend außerhalb des anglo-amerikanischen Sprachraums verständlich, die Sounds transportierten eine unmiss-verständliche Qualität – sie vermittelten nicht, sie konnotierten Gegenhaltung. Glamour-Pop ist ein postmodernes Spiel mit signs in der Körper-Pop-Performance, sein Aktionsfeld ist die Show der Discothek. Er ist der weiße Beitrag zum Disco, in dem sich jener Wandel zu einer hedonischen Körper-Kultur vollzieht, der im Techno zum Mainstream wird. Neben der dominant betrachteten weißen Szene in Großbritannien gibt es in den USA eine parallele schwarze Bewegung, die vom Soul und Funk in den Disco führt. Schwarze Tanzmusik ist es diesmal, die sich in der Manier des Ausverkaufs prostituiert und ihre unmittelbaren wie mittelbaren musikalischen Eigenheiten, die schnell gestoßene Rhythmisierung schriller hoher Klänge (im Bläsersatz, den female vocals und schließlich mit der tonhöhenlos rhythmisierten Stratocaster)