1.5 Sound-Generations 143 mit körperlicher Aufreizung durch Outfit und Bewegung zur motorischen und sexuellen Agitation verführend, zur Unterhaltung des weißen Publikums einsetzte – zumindest teilweise als bewusste finanzielle Ausbeutung der damit verführten weißen Käufer, somit als politische Haltung deklariert. Kritiker innerhalb der eigenen Rasse ist James Brown; er setzt sich von dieser Haltung bewusst ab, er verwendet dieselben musikalischen und klanglichen Elemente zu selbstbewusster schwarzer Selbstdarstellung, zum mitreissenden Aufschrei der black power. Den black people bringt dies vorerst finanzielle power, ein guter Teil der Öffent-lichkeitswirksamkeit beschränkt sich auf Gefallen am Exotismus. Dementsprechend wird die schwarze Agitation in der weißen Rezeption nicht als politische Agitation, schon gar nicht als eine, die zur eigenen politischen Handlung verführen kann, sondern eher hedonisch wahrgenommen. Politische Agitation kommt erst mit dem Zusammentreffen der konzeptkünstleri-schen Kreation Punk (intellectual punk) mit den schlechten wirtschaftlichen und damit sozialen Zuständen im postindustriellen England der späten siebziger Jahre (social punk) in die Pop-Kultur. Die Benutzung des gängigen medialen Geschäfts mit der Gegenhaltung durch Malcolm McLaren ist die Initiation des selbstkontrollierten Pop-Business: Nicht die Medien benutzen dissidente Musikmachende, sondern dissidente Künstler benutzen die Medien und verkaufen extreme Gegenhaltungen über den Mechanismus des medialen Rock-Geschäfts (der ansonsten in kontrollierender Weise Gegenhaltung zur Ware entkräftet). In sezierender Art ist dieser Prozess im great rock’n’roll swindle von Julian Temple dokumentiert (1980); das Dokument ist zugleich als Ware deklariert: Eine doppelte Überhöhung. Die Sex Pistols – McLarens Kreation zur Durchführung seines Medienkunstkon-zepts – realisieren diese agitatorische Ideologie (gemeinsam mit außermusikalischen surroundings) innermusikalisch durch die perzeptive Unmittelbarkeit des Klanges: Tiefster, ungeschliffener Amateursound mit dem »Gestus der heraushängenden Zun-ge « (vgl. MARCUS 1989), gekoppelt mit der aggressiven Kraft höchster Klangdichte (high densities) erregen direkt – abseits kognitiver Reflexion. Dieses intellektuell motivierte körperlich musikalische Handeln fällt mit dem politischen Agitations-bedürfnis der No Future Generation – wohl eine der extremen Ausformungen der Gegenhaltung in Fortführung anarchistischen Denkens des Dadaismus (vgl. RIEGER 1983) – aus unmittelbarer sozialer Bedrohung zusammen. Die Ausschreitungen der frühen achtziger Jahre in Zürich und Berlin sind wesentlich von diesen sozialen Punks getragen. Das agitatorische Bewusstsein führt aber auch zu politischen Zusam-menschlüssen alternativ Gesinnter, also jener, die Gegenhaltung in der Pop-Kultur gelernt und internalisiert haben und nun zu ihrem parteipolitischen Programm machen. Nach der abgrenzenden Selbstbestimmung der adoleszenten Generation ist dies nun die Phase der selbstbewussten Mitbestimmung sozialen Lebens. Mit der bewussten Dekonstruktion eines in der Szene liebgewordenen Bildes von den Geschlagen und deren Kampf gegen das Establishment, symbolisiert in Medien und politischen Machtträgern mit dem Medienkunstprojekt Sex Pistols, ist Pop in eine erwachsene Welt getreten. Punk thematisiert explizit das, was im Haltungs- Gegenhaltungskonzept verpönt war, in dem es authentische und kommerzielle Musik gab. Punk thematisiert die antipodische Symbiose zwischen Kulturindustrie, Medien