144 Populäre Kultur und ihre Musik und Pop im Verkauf von Gegenhaltung. Ähnlich wie Malcolm McLaren sehen Pop-Theoretiker ihre Arbeit als Teil von Pop (vgl. JACOB 1996). Hinsichtlich der musikalischen Präferenzen ist eine hohe »Prägung« pubertä-rer Präferenzen empirisch belegbar; gerade ideologisch besetzte Präferenzen von Musik weisen sich durch ihre hohe roughness aus. Die Entwicklung dieser in Rich-tung höherer Komplexität (vgl. JOST 1982) ist möglicherweise als der Weg der Trennung ideologischer Ersatzhandlung im ästhetischen Feld und Hinwendung zu stabiler musikalischer Präferenz einerseits und politischer Handlung andererseits zu interpretieren. Die aufklärerische Phase des Pop lässt sich damit – in Symbiose zwischen ontoge-netischer Entwicklung und der von Generationen – als Werdegang von Gegenhaltung im pubertären Ansinnen über adoleszentes Erproben bis zum politischen Handeln zeichnen. Erregte Agitation als explizites politisches Handeln in einem modern zielgerichtet fortschreitenden Weltbild. Aus dem schwarzen Bereich dringt die lustvolle Bewegung zunehmend in den Mainstream: lustvoll erlebte körperliche Agitation. Dieser Hedonismus ist implizite politische Agitation – in der postmodernen Sicht sind es gelebte Brüche im sozialen System. 1.5.2 Hedonische populäre Formen als politische Avantgarde der informellen Demokratie Pop ist grundsätzlich als hedonisches soziopolitisches Sedativum konstruiert, als Feldzug zur Amerikanisierung Europas angelegt. Nach der Kultur für die Jugend wird Pop eine Jugendkultur, die zuerst die Illusion der Selbstbestimmung besitzt und sich zunehmend ins Fahrwasser der hochkulturellen Methoden manövriert. Selbstreflexion und der Rückgriff auf das Schwarze in den Clubs weicht die aufklärerische Phase auf und leitet über in die hedonische Phase. Techno ist jene körperorientierte Musik, die klanglich rhythmisch und mit hohen Intensitäten unmittelbar bewegt. Hip- Hop ist jene schwarze musikalische Form, die (zuerst) explizit politisch im Text, musikalisch mit den Mitteln des vorgefertigten Klangs und seinem amateuristischen handlingmittels Abspiel-Geräten dem Techno nahe kommt. Die Verdeutlichung der verbalen Botschaft geschieht in gestischer Körperarbeit zusätzlich zum Bouncing auf dem monoton rhythmisierten Sound-Teppich. Der Wechsel der aufklärerischen Phase zur hedonischen Phase fällt zusammen mit einer Ablösung sozial-demokratischer Regierungssysteme durch konservative wirtschaftlich bestimmte Systeme in der westlichen Welt – lustvoll besetzte Images tragen solche Systeme. Selbstorganisation und Selbstbestimmung war das Experiment des Mersey-Beat der frühen Sechziger in Großbritannien. Techno mit seiner Unabhängigkeit von Produktionsmitteln, deren allgemeiner Verfügbarkeit und dem Wissen um Distri-bution aus der Independentszene sowie organisiert in Clubs und netplatforms hat Selbstbestimmung weitgehend realisiert, die Szene selbst hyped dies und veran-kert es gleichsam im öffentlichen Bewusstsein: Techno stellt sich als derzeitiger Höhepunkt einer kulturellen Entwicklung zum Alltäglichen, zum Globalen, zur