1.5 Sound-Generations 149 Techno dagegen ist schnell, unübersichtlich. Statt eines großen Superstars gibt es Hunderte von neuen Labels, Acts, Projekten mit Tausenden Produkten. Dank der technischen Innovationen brauchte man nur kurze Zeit und kein teures Equipment mehr, um potentielle Hits zu machen. Eine schwierige Situation für die Majors« (LAARMANN 1997, S. 257). Mit dem Fokus auf individuelles lustvolles Handeln tragen Techno und Hip-Hop zur Destabilisierung von herrschenden autokratischen Machtstrukturen und zur informellen Demokratisierung bei. Sie sind darin als die Avantgarden von Basisdemokratie zu werten. Abseits des primär aufklärerischen Anspruch des politischen Pop der 60er Jahre wird in interpassivem Verhalten (WEINZIERL 2000) vorrangig individuelle Lustoptimierung zur Ausbildung von Kollektivität genutzt – das Ich verstärkt eigenen Lustgewinn im Wir, das zufriedene Ich gestaltet das Wir: Hedonismus ist damit informell demokratisierende politische Kraft. Die Technologie ist Mittler dieses individuell bestimmten Kollektivs. »Als Kraft-werk ›Wir sind die Roboter‹ sangen, wollten sie genau diesen scheinbaren Wider-spruch angreifen, dass Technologie und Individualität Feinde seien. Genau das Gegenteil war der Fall: Technologie ermöglichte eine neue Freiheit und Selbstbe-stimmung, man brauchte sie nur richtig einzusetzen« (POSCHARDT 1995, S. 143). Vergessen oder impliziert ist bei solchen Äußerungen stets, dass die Technologie verfügbar sein muss und zwar allgemein, damit sie so wirken kann: Ihr geringer Marktwert, der großteils auf der wirtschaftlichen Kolonialisierung asiatischer Ent-wicklungsstaaten gründet, ist der Katalysator demokratischer Befreiung, auch der »kritischen« Jugend des Westens – wirtschaftlicher und politischer Kolonialismus des High Tech-Zeitalters. »allgemein gilt, dass das erscheinungsbild von techno mit grafik, mode, flyers, clubs & raves – im gegensatz zur musik – in der steinzeit stehengeblieben ist. dieser rückstand ist technologisch begründet. musiktechnologie war ganz einfach früher available. digitale musikproduktionen sind seit jahren mit erschwinglichen computern & samplern möglich. erst durch audio-home-recording kam es zur vielfalt von techno« (ROSE 1995, S. 163f). Mit diesem durch technologische Verfügbarkeit ermöglichten basisdemokratischen Selbst-Gestalten und lustvollen Leben gehen implizite Machtansprüche einher. Für Christof MEUELER »vereint dieser popmusikalische Stil [Techno] Körper, Geist und Maschine zu einem neuartigen Ensemble von Musik-Reflexion und Party- Hedonismus« (MEUELER 1997, S. 243) Im Techno verschwimmt auf seltsam ro-mantische Weise Natur und Musik, mit den Mitteln der Technologie gemacht. Im kritischen Computerlager vorbereitet, im New Age Mainstream gestärkt, mit mind machines erprobt, baut Techno seine Ästhetik selbst auf die unmittelbare Wirkung von Klängen, als naturwissenschaftlich begründbares Naturereignis. Dabei verwun-dert nicht die Tatsache der naturwissenschaftlichen Begründbarkeit, sondern ihr stetes Bemühen und Hervorkehren. Die legitimatorische Art wird dadurch zu einer ideologischen, die auf natürliche Ordnungen baut. Die Hypeness der Techno-Szene bedient sich der Selbstinszenierung. Wissenschaft, oder ihr Verständnis davon, ist das rechte Mittel zur Imagekreation in einer Zeit, in der Wissenschaft allgemeinen Wert besitzt und gemeinhin mit Technik assoziiert wird. Techno bemüht sich unentwegt darum, sein Konzept darzustellen, gestützt auf das naive Verständnis von Naturwissenschaft, das mit dem gefährlichenWertmaßstab