150 Populäre Kultur und ihre Musik »Natürlichkeit« assoziiert und in entsprechenden Mainstream-Videos (z. B. Scooters Tribe) mit Machtdarstellungen angereichert wird. Natürlichkeit, ein Wert, der einstmals eine Ideologie trug, wird möglicherweise heute, lediglich das musikalische Handeln der Techno-Jünger legitimierend, erneut zu einem ideologischen Wert oder verstärkt diesen. Techno produziert nicht nur naturtongereihte Musik, sondern liefert auch die entsprechende Beurteilung seines Tuns. Die physiologische Wirkung des Klanges auf den Körper weist Techno als Höhe-punkt der Körperkultur aus. Die Interpretation der Körper-Klang-Koppelung weist diese zugleich als essentialistisch wie als basisdemokratisch aus – als dem einen oder dem anderen ideologischen Lager nahe. Der Kampf um Authentizität scheint gewonnen, die Medien sind entweder seit der Independent-Szene und der technischen Verfügbarkeit der Produktions- und Distributionsmittel nicht mehr notwendig oder seit McLaren in ihrer Hand. Die Verkaufszahlen für Tonträger im Jahr 2003 sind niedrig. Die rechtliche Unsicher-heit bzw. die Unmöglichkeit der Kontrolle ob der allgegenwärtigen Verfügbarkeit und technischen Reproduktion von Musik, besser der Möglichkeit zur Erstellung qualitativ identischer Kopien durch jedermann wird dafür verantwortlich gemacht. Dem sozialen Engagement gilt heute weniger Raum als der Selbstdarstellung. Eines hat Techno von medial gestützten Machtstrukturen übernommen: Zur Etablierung reicht es nicht aus, sein Produkt nur darzustellen, sondern verlangt auch permanent seine Beurteilung zu vermitteln, um so einen Massenwert zu erzeugen. Allerdings: die Vermarktungsstrategie der Love Parade, das Spiel des größten europäischen Medienunternehmens mit der Techno-Generation, lässt daran zweifeln, dass die Technoszene selbstbestimmt ist. Hier hat die Industrie den Authentizismus eingeholt und vermarktet ihn. Was die Industrie, als »Bewußtseinsindustrie« (vgl. HORKHEIMER & ADORNO 1971) in der Erlebnis-Gesellschaft tut, hat Pop stets getan: Nicht ein Produkt wird verkauft, sondern ein Image: nicht Musik wird verkauft, sondern ein feeling – allerdings muß man den Sound in irgendeiner Form »erwerben«, der als Katalysator jene Erregung spüren läßt. Industrie und Pop haben Gemeinsames: Das Design, das geformte Image, dem Produkt und der Vorstellung seiner Zielgruppe angepasst, eine funktionale Größe des Erlebniswerts zum Verkauf von Haltung, aber auch von Gegenhaltung; Design ist nicht nur die zentrale emotionale Verpackung industrieller Güter, sondern seit dem Herauswachsen aus dieser produktzentrierten Haltung auf die soziopolitische in den Art Schools der sechziger Jahre auch ein zentrales Mittel der Kulturindustrie (vgl. HEISER 1997). 1.5.3.1 Techno – Musik aus Verfügbarkeit Techno ist vorrangig eine britische und deutsche Musik, die auf dem Re-Import der Adaptionen von Synthi-Musik der 80er Jahre im sozialen Underground der nord-amerikanischen Industriemetropolen fußt. Soziales Aussenseitertum, brach liegende Territorien und Verfügbarkeit von intuitiv und damit amateuristisch handhabbarer Technologie sind die marker der musikdominierten Techno-Event-Kultur. Geburtsstätten sind Clubs am Rande des sozialen und kulturellen Mainstreams. Das Leben von Techno ist an kollektive Arbeitsweise in einem dynamischen Prozess