152 Populäre Kultur und ihre Musik Ziel war; in der frühen Phase des Mersey Beat, später im dem Apple-Studio, mar-kiert independent den Übergang zur für jedermann produzierbaren und machbaren Musik durch die Verfügbarkeit von Billigtechnologien der Software-Simulationen von Hardware. Mit dieser technischen Mediamorphose vollzieht sich eine sozioäs-thetische Veränderung. »Hardware ist mehr dem Interpreten angepasst, Software dem Komponisten. Beides ist notwenig, damit die Trennung von Interpret und Komponist abnimmt« (STOCKHAUSEN 2000, S. 76).9 Diese Trennung wird in der Überschreitung des zeichenhaften Verständnisses im Rückschritt der Mediatisierung zum originären Musizieren obsolet, das in seiner kollektiven Form Net-Art zum Modell wird. Kollektives Musizieren im net wird mit open Source Platforms zur Entwicklung von Tools zur Organisation von Stimuli auf eine Meta-Ebene gehoben, auf der Differenzierungen innerhalb des Produzierenden mit gestaltenden Formen des Rezipierens verschwimmen, wo schließlich die Gestaltung der Tools gemeinsam mit der Gestaltung von prozessual verstandener Musik, allgemein Kunst, im kom-munikativen Verhalten informell kollektiv gestaltet wird und diese Prozesse zugleich kollektivierend wirken. 1.5.3.2 Techno – kollektives Musizieren Vom Low-Tech-Hacking zum kollektiven Usen der High-Tech-Entwicklungen Allgemein wird die Rezeption von Kraftwerk in Detroit als die Initiation von Techno erachtet. Geprägt wurde dieser Stil ursprünglich von den Produzenten Juan Atkins, Derek May und Kevin Sounderson, weiter geführt wurde er von den Formationen Underground Resitance (Mike Banks, Robert Hood, Jeff Mills). Aus den eigenen schwarzen Wurzeln des Soul und dem daraus entwickelten cluborientierten weißen Disco – wo schwarze Musik für die Weißen produziert wurde – ist in Chicago House entstanden, körperorientierte Tanzmusik. Im traditionsgeladenen Europa hingegen entsteht technoide Musik (nach der gedankenmäßigen Vorlage aus den USA) aus Technik heraus, aus hackerartigem Missbrauch: elektronische Musik mit der Bezeichnung Brakebeat und Hardcore – auch zum Tanzen geeignet. Der Sampler als technisches Instrument mit den Möglichkeiten der realtime Klangbearbeitung durch unterschiedliche Auslesezeiten, Filterungen und Cuts ist die technische Basis jener intellektuellen Musik, die später zu drum&bass mutiert. Hier beginnt die Verwendung von Klang als modulierbarer Sample ohne die Beachtung von Kontexten, die Arbeit direkt am Klang. Das schwer-fällige Step-By-Step-Programmieren der drum and bass-boxes hatte »unspielbare« Rhythmen und basslines zur Folge. Das körperliche Maß der Produzierbarkeit wie Fassbarkeit wurde überschritten. In hohen Tempi abgespielt entstanden in sich rhythmisierte Soundgestalten, die körperliche Rezeption provozieren. Diese Musi-zierweisen stützen theoretisierende Annahmen, die Techno aus dem Missbrauch von Technologie gegen die Gebrauchsanweisung ableiten. Für die starke Theoretisierung der Produktionsweisen wie der (mit der Natur des Klanges wirkungspsychologisch begründeten) Rezeption, vor allem für die Politisierung dieser Sound-Gestaltung in der europäischen technoiden Pop-Szene 9 Kommentar zu Musik der Zukunft in Keyboards 2000/01 zitiert nach HOFFMANN (2002, S. 95).