154 Populäre Kultur und ihre Musik TAGG 1997). Mit Klangmassen zwischen Beliebigkeit und Organisation erhebt Alec Empire nicht nur den Anspruch körperhafte Musik für eine Spaßkultur zu liefern, sondern mit der körperlich zu rezipierenden Musik gleichsam jenes excitement zu erzeugen, das in klanglicher roughness und dem entsprechenden surrounding Gegen-haltung erregt und transportiert – gegen die spaßorientierte Konsumgesellschaft. Dieser europäisch aufklärerischen Haltung ist auch das deutsche Label Force Inc. verschrieben. Alec Empire hat ursprünglich dort veröffentlicht. Achim Szepanskis Frankfurter Label »mille plateaux« ist nicht von der Profit-maximierung gelenkt, sondern von der postmodernen Idee, jenen in erregenden Klang gesetzten politischen Haltungen eine Plattform für die Veröffentlichung zu geben und zugleich einen Knotenpunkt im Netzwerk der kommunikativ bestimmten Produktionen zu repräsentieren, die dieser ideologischen Orientierung folgen; bei dieser Einheitlichkeit zeichnen sich die Sublabels durch Vielfalt aus. Entsprechend der Pop-Haltung: »Pop über Pop machen« und in der Folge der Pop-Art Hamiltons und der Selbstreflexion des britischen Pop nach 1970 finden sich in England Arbeiten über Techno im Techno. Autechre (Sean Booth und Rob Brown) sind Dekonstrukteure des dominanten Stilelements des Techno, seines monotonen Rhythmus. Nicht nur mit sich überlagernden Tempovariationen, sondern auch mit der rhythmischen Fragmentierung von Stimme nähern sie sich dem Minimalismus Steve Reichs (z. B. It’s gonna rain) wie den Stimm-Techniken des Hip-Hop. Parallelen zu polyrhythmischen Strukturen ließen sich auch mit experimentellen Jazz-Formen finden. Ähnlich der minimalistischen Existenz der sechziger Jahre wird diese Musik nicht im agitatorischen Szenarium des Clubs, sondern als »Konzert« in Galerien aufgeführt, z. B. 1998 in der Akademie der Künste in Berlin. Ist Autreche der Knoten, sind das Manchester Label Skam, die Deutsche For-mation Funkstörung und ihr Label Musik aus Strom Fortführungen der Idee der Kommunikationskunst und weitere Nodes in einem Kommunikationssystem, das auch nach Amerika (zurück-) führt. Richard D. James ist die Personifikation des Techno-Autors und besitzt beinahe den Status eines Pop-Stars in postmoderner Manier in unterschiedlichen »Rollen«-Identitäten: Aphex Twin ist die bekannteste davon. »Die absolute Kontrolle über das Klangspektrum zeigt sich in der Manipu-lation der Maschinen, die James nach seinen Wünschen umbaut und auf digitaler Ebene fortsetzt, indem er mit eigens für ihn geschriebenen und konzipierten Mu-sikprogrammen arbeitet« (HOFFMANN 2002, S. 106). Mit dieser Äußerung wird Richard D. James in die Tradition der elektronischen Musik ein eingereiht – freilich, ließe sich dasselbe auch für den Jazzer Zawinul sagen, der – um den eigenen Sound bemüht – ebensolche für ihn entwickelte Hard- wie Software und vor allem Sounds verwendet. Möglicherweise ist hier die Zuschreibung der Ausdruck der Avantgarde, möglicherweise folgt James einfach dem Bestreben, einen eigenen Sound zu finden und weniger einem theoretisch programmatischen Postulat – keinesfalls begnügt sich diese elektronische postmoderne Avantgarde mit Musik aus Technik-Müll. Für diese Formen des Techno eignen sich diese Avantgarde-Zuschreibungen, während sie sich auf den deutschen Techno, geradewegs Mainstream, wie auf den amerikanischen – dort insgesamt selten – Techno möglicherweise nicht anwenden lassen – Techno ist Entertainment.