1.5 Sound-Generations 159 Dieser weitere Schritt einer Mediamorphose macht im entpersonifizierten indi-viduell dislozierten kollektiven Gestalten den Schöpfer zum Agenten, das Werk zum Prozess und löst beide aneinander gebundene Institutionen (vgl. WEBER 1921; KADEN 1985) auf. Digitale Kultur und ihre Kunst lebt und thematisiert die mit der technischen Innovation, der Codierung von analogen Zuständen, ermöglichten Implikationen, die Lösung von der Körperlichkeit in der Interaktion durch die Instrumentarisie-rung des intuitiven Ausdrucksverhaltens, durch Zeichensysteme, die dieses ikonisch (re-)präsentieren, schließlich durch willkürliche Zeichnsystem mit einer letztlich durch solche Zeichensystem geschaffenen virtuellen Welt. Damit rückt zugleich eine neu gewonnene Körperlichkeit ins Zentrum: anstelle der physikalischen Bedingungen des Körpers seine hedonischen. Hochmediatisierte Virtualität, über Codes erzeugt, wird zunehmend über den Körper gesteuert. Der Schritt von der befehlsorientier-ten Sprache zur körperlichen Auswahl von Ikonen führt weiter zu solchen den gesamten Körper involvierenden Interfaces. Als immersive Situationen sind diese Interfaces am Beispiel des ausdruckshaft musizierenden Körpers orientiert, mit dem uns stets umhüllenden Klang, der uns als Klangraum ins Zentrum setzt, während der Sehraum uns stets als externen Betrachter positioniert; durch diese Spezifi-tät der emotionalen und physikalischen Körper-Klang-Bezüge werden originäres Musizieren und Klang paradigmatisch für die körperhafte Interaktion mit einer neuen virtuellen Welt – phylogenetisch ältere Wahrnehmungsformen, die wir in unserer ontogenetischen Entwicklung bereits pränatal als Orientierung »erlernen« und gering mediatisierte Kommunikationsformen spielen mit hoch mediatisierten Umwelten und entmediatisierten Materialien wie den bedeutungsneutralen Codes selbst. Anstelle der aufgrund der Erfahrung aus Körper-Umwelt-Interaktion als kau-sal begriffenen Ordnungen von Systemen (LEVY 2000) mit Außenbezug erlauben referenzlose Codes die willkürliche Gestaltung. Die Überwindung mechanischer Implikationen in unserem (willentlichen) Denken geschieht in der Kunst über die Regelung durch algorithmische oder kommunikatorische Prozesse; die Auslese aus deren Hervorbringungen ist durch hedonische Prozesse geregelt. Seit ihrer Bindung an ein Code-System, seit ihrer Notation, ist Musik willkürlich prozessual gestaltet und entfernt sich in einem an das Zeichen gebundenen Kulti-vierungsprozess von der allmählichen Überformung des Ausdrucksverhaltens, das formal im gestischen Wink, in den Neumen, noch ins Zeichensystem eingeht und den Übergang zur Willkürlichkeit markiert; Kompositionsregeln sind die Formalisierun-gen von willkürlichen Prozessen zugleich von hedonischer Regelung durch Spannung und Lösung. Die Lösung der visuellen Künste von ihrer (Ab-)Bildhaftigkeit, ihre Existenz als die visuelle Wahrnehmung formalisierende Gestalt, schließlich ihre Virtualisierung durch die Gestaltung von digital Codes bringt sie in die Nähe der Musik. Die prinzipiell willkürliche jedoch spannungsgeregelte Gestaltung von Codes vereint beide. In einem durch die Kommunikationstechnologien und die Digitalisierung bedingten Schritt in der kulturellen Mediamorphose gewinnt kommunikativ und hedonisch geregeltes Verhalten Dominanz über die einstige Herrschaft physikalischer Regelung.