162 Populäre Kultur und ihre Musik vollziehbaren Struktur, dem Lesen von geschriebener Musik, durch den Rückschritt auf ikonische Zeichen überwunden, die synästhetisch rezipierbar, allgemeingültigen Informationswert besitzen. Grafische Notationen nutzen diesen. Vor-Schriften wer-den durch Handlungsanweisungen ersetzt, Musik wird zunehmend zum Musizieren, die Teilung von Komponist und Interpret wird obsolet – hier wachsen Pop und Neue Musik zusammen, der verstehende Geist weicht dem handelnden Körper – Hedonismus wird in der zweckfreien Handlung zum Motor. Was für die Musik wesensbestimmend ist, ist für die Bildende Kunst eine Er-weiterung, möglicherweise wird deswegen diese Extension des Ausdrucksverhaltens in den Bildenden Künsten als Auffälligkeit diskutiert, selten als Musikalisierung erkannt. Happening ist letztlich ein musikalisches Prinzip; dass das Konzert das Paradigma des Happenings ist, drückt das kollektiv Gestaltende aus körperhaftem und kommunikativem Verhalten aus. Gestaltung aus informeller Kommunikation wird dann in den Kollektiven und Netz-Künsten am Paradigma der kollektiven freien Improvisation des näher am Musizieren denn an dessen Objektivierung durch die Verschriftlichung liegenden Jazz vollzogen. In dieser Besinnung auf originäres Musizieren, auf originäres Kommunikationsverhalten liegt die Einflussgröße von Pop-Musik als Körpermusik, von Pop als Körperkultur. Darin treffen sich die Avantgarden und Pop – der Rückgriff auf hedonische körperliche Kommunikations-formen wird in der digitalen Kultur durch Hedonismus als dem Körper zugängige Gestaltungskraft verstärkt. In der körperlichen Bestimmung wachsen diese Kulturen zusammen, werden sie ob der allgemeinen Empfindungs- und Kommunikationsqualität populär. Neben der grundsätzlich hedonischen Gestaltung ist in der Rezeption eine zunehmende Nähe von Rezipienten des Populären und des Neuen zu beobachten, ist in den tradierten Ausbildungsstätten die Öffnung zum Pop über die Klangorientiertheit der Musik zu beobachten; allgemein ist die Neue Kunst (auch als Konsequenz der Virtualisierung der »Umwelt«) zunehmend körperorientiert, indem sie die Irritation des mechanischen Körpers thematisiert und den ausdrucksgesteuerten als performativen und darin gestaltenden erachtet. Die Bildende Kunst beansprucht die Dominanz in der theorienbildenden Diskus-sion der Neuen Künste – Entlehnungen aus der Musik werden kaum beachtet. Es ist nachvollziehbar, dass gerade die Bildende Kunst, die mit der Digitalisierung nun erst den Schritt auf die Zeichenebene geht, ihre Avantgarde gerne abgekoppelt von Pop sieht – ein Stadium der Entwicklung der Mediatisierung, das die Musik mit der Entwicklung ihrer Schrift als System syntaktischer Codes und nicht semantischer Zeichen längst hinter sich gelassen hat und mit Technologie den Fortschritt zur Rück-entwicklung der Mediatisierung zur unmittelbaren Körperlichkeit der Kulturform Pop geht. Pop ist als der direkte Rückgriff auf den allgemeinen basalen Emotionslaut wie auf die Instrumentarisierung des körperlichen Ausdrucksverhaltens zu sehen, deren Allgemeingültigkeit die Kollektivierung und die Ausbildung eines emotionalen Klimas ermöglicht. Die Einbindung dieser niedrig mediatisierten Kommunikationsform in ein entsprechendes System von (präsentativen) signs ist dann möglicherweise die Verstärkung einer zuvor basal erzeugten Erregung mit einer kommunizierbaren und