166 The exciting Sound of Pop Gemeinschaft. Sound von Pop1 ist das Medium zur Erregung körperlicher Empfin-dung in der Phase der Gegenhaltung wie der des hedonischen Entzugs. In Distinktion zur Körperlichkeit sublimierenden Hochkultur (BOURDIEU 1984) verstärkte ge-rade der hedonische Sound des Pop die Herausbildung einer körperorientierten Erlebnisgesellschaft (SCHULZE 2000). Machtkämpfe im zerfallenden monarchistischen System haben Musik als massen-mediales Kampfmittel entdeckt, als gemeinschaftsbildendes Ereignis im kollektiven Musizieren wie im kollektiven Rezipieren/Genießen: Arbeitergesangsvereine wie Musikvereine dienten diesem identifizierenden, aufklärerischen Bestreben. Der im wahrsten Sinne des Wortes einseitige Gebrauch der neu erstehenden Massenmedien in den autoritären Regimen des beginnenden 20. Jahrhunderts hat den gemeinschaftsbildenden Charakter übernommen und Musik dabei in verstärkter und wissenschaftlich kontrollierter Art als bestimmenden Bindungsfaktor verwendet. Nicht das gemeinsame Musizieren, oder gemeinsame Genießen, sondern bereits der Zusammenschluss von Hörergruppen über den emotionalen Charakter von Musik ist gemeinschaftsbildend und somit implizit politisches Instrumentarium. Das Dritte Reich und das stalinistische Regime lieferten die wissenschaftlich ge-stützten Methoden medialer Lenkung, die danach in den westlichen kapitalistischen Systemen Verwendung fanden – Pop ist mit ihnen verwachsen. Die Strategien haben sich verändert: Führung wich der Verführung, wie das die Frankfurter Schule mit ADORNO (1970) und HORKHEIMER & ADORNO (1971) sah. Dissidenz kontrollierend stellt die gegen sie gerichtete ökonomisch dominierte Politik eine Spielwiese zur Verfügung, auf der sich Dissidenz gewinnbringend totspielen soll. Elvis Presley ist das erste kreierte Kampfmittel, ein von den Machthabern in den Kampf geschickter Guerillero in diesem Bürgerkrieg, der auch in den europäischen Kolonien aktiv wurde – sein Siegeszug, als Leit- wie zugleich als Feindbild der sich abgrenzenden politischen Wirtschaftssysteme (POIGER 2000) war größer als jener in den parallel geführten Kriegen mit traditionellen Waffen.2 Zwischen den Subkulturen und einer Gesamtkultur entbrennt ein Kampf um die Enteignung von Zeichen, deren Bedeutung letztlich auf der Seite der Rezipienten entstehe, es kommt zur »semiologischen Guerilla« (ECO 1985). Enteignung ist die semantische Umdeutung emotionaler Besetzungen von Identifikationsobjekten mit systemstabilisierender Funktion, deren Enteignung ist somit nicht bloß ein Raub von Bedeutungen von Emotionen, sondern die Entmachtung ihrer Funktion. Der Kampf um Emotionen bringt den Sieg auf allen Seiten. Auf der einen Seite besteht der Sieg darin, die Umdeutung politisch und kommerziell genutzt zu haben, auf der anderen Seite besteht er darin, den Prozess der Umdeutung als emotionales Konzept zum 1 (Zeichenhafte wie soundmäßige) Selbstreflexion mit und nach der Pop-Art sowie die Aneignung der Funktionsmechanismen des Populären legen den Sammelbegriff Pop nahe, dem sich Rock als »das andere« von Pop mit der Zuschreibung »intelligent« und auch männlich (Tom HOLERT 1996, S. 177) als zeitbezogenes Sinnbild für vermeintliche Gegenhaltung letztlich einfügt. 2 Bruce Springsteen – ähnlich konstruiert wie Elvis und mit allen Zeichen des ländlich-republikanischen amerikanischen Nationalbewusstseins »spielend« – verstärkte später in den 70er Jahren mit der öffentlichen Beantwortung selbstgestellter Fragen »Wer sind wir als Amerikaner, was ist amerikanisch sein?« (Interview ORF ZiB 2, 25.4.2001, 22:30 Uhr) das emotionale Klima bei Jungwählern, das einen political turn und Reagans Präsidentschaft stabilisieren sollte.