176 The exciting Sound of Pop von Forschern aus dieser Praxis in die musikwissenschaftliche Forschung führten die Pop-Forschung auf den Weg zur Be-achtung des nicht-kunstvollen künstlichen Klangs. Zumeist ist der Diskurs über Pop-Musik in der Musikwissenschaft von den Vor-stellungen aus der Beschäftigung mit Kunstmusik behaftet. Ein gewichtiger Hinweis darauf ist die träge Abkehr von der Anwendung klassischer Analysetechniken auf Pop-Musik. Selbst die Zuwendung zu den adäquaten Klanganalysen (ohne deren Adäquatheit jemals zu begründen) ist aus denselben Vorprägungen einseitig: Vor allem der gestaltete, der kunstvoll komponierte, letztlich der schöne Klang steht im Zentrum des Interesses. Wissenschaftliche Analysen kümmern sich um den durch George Martin in die Pop-Musik importierten künstlichen Klang, der als Adaption der Klangwelt der Ernsten Musik gilt. Nicht nur durch die Anwendung akustischen Instrumentariums aus dem Orchesterbereich, sondern vor allem durch die Anwen-dung elektroakustischer Kompositions- und Verarbeitungstechniken aus der musique concrète bzw. der elektronischen Musik hat George Martin die schwarze Pop-Musik weiß gewaschen. Damit wurde das Studio als Instrument in der Pop-Musik etabliert (was dann zum Rückzug der Beatles von den Bühnen geführt hat) und zugleich auch das Interesse der (Musik-) Wissenschaft an der Pop-Musik weckte und zwar an ihren innermusikalischen Elementen, noch mit den klassischen Analysetechniken erforscht. Die in der Folge der 68er-Bewegung vor allem im pädagogischen Milieu entstandene soziologische Diskussion (vgl. HARTWICH-WIECHELL 1974) über Pop- Musik hingegen hat selten oder gar nie innermusikalische Aspekte berührt. Die Polarisierung zwischen der soziologischen und innermusikalischen Forschung kann eine kulturwissenschaftliche Pop-Sound-Forschung überbrücken. Die mittlerweile mehr als dreißigjährige musiktheoretisch bestimmte Pop-Musik- Forschung hat sich erst jüngst dem Klang zugewandt. Es fehlen aber Belege dafür, dass der Parameter Klang, der für die Betrachtung von Pop-Musik adäquate ist, weil er gleichsam das Wesenhafte von Pop-Musik berührt: den außermusikalischen Inhalt hedonische Dissidenz auf der Basis des innermusikalischen Ausdrucks von Erregung zu kommunizieren. Es ist verständlich, dass das klangliche Arrangement (die Verbindung ist absichtlich gewählt, um die symbiotische Beziehung zwischen Klang und dem musikalischen Gefüge und der Instrumentation anzudeuten) bei grundlegend mit Erregung spielender Qualität stilistische Differenzierungen erlaubt. So erscheint der aus der Verbindung des 12- oder 16-taktigen Blues mit weißer Country-Music geborene Rock im klanglichen Kleid des Rock’n’Roll der fünfzi-ger Jahre, nach der liedbestimmten Phase des Mersey-Beat im schweren Sound des Hard-Rock, daraufhin in der elektronischen Klangwelt und später wieder im hard-core Gitarrengetöse des Punk. Pop ist heute in der endlosen und darin zu-gleich barock-monoton stationären Form des Techno ausschließlich Klangarbeit; einerseits bestimmt von einem unbelasteten Umgang mit vorgefertigtem Klang als Gegenstand, andererseits bestimmt durch seine bewusste Setzung zur unmittelbaren psychischen Beeinflussung – beides ermöglicht durch digitale Technologie: durch Sampling und das pattern-verarbeitende Harddisc-Recording (ein Analogon zum Sequencing, also zur Strukturarbeit und nicht zum aufzeichnenden Tonband). Die-ses Klangverständnis engt die analytische Arbeit am Zeichen ein und forciert die wirkungspsychologische Forschung des Klanges als Teil eines kulturellen Gefüges.