2.2 Das Konzept Pop-Musik 179 physiologische Wirkungen, emotionale Konnotationen, deren Unspezifität gerade der Vorteil (RICHARD 2000) ist, da hier ein emotionales Klima verstärkt oder auch geschaffen werden kann, auf dem sich ideologische Haltungen mit bestimmter Einengung dem Erregungsgrad gemäß ausbilden (JAUK 2002a). Die Empfindung von Sound ist dem Verstehen vorgelagert, bevor Sound Bedeutung kommuniziert, erregt er. Bedeutungen gehen mit dem Erregungspotential konform. Sound ist Signal, bevor er ein Zeichen werden kann, seine Erregungsqualität engt die Bedeutungsannahme ein. Die musikwissenschaftliche Forschung entfernt sich zunehmend vom Sprachver-ständnis – einer Übernahme aus dem Bereich der Erforschung artifizieller (narrativ klassischer) Musik – und damit von der Vermittlung von Bedeutungen zu einem Verständnis von Klang als sensorischer Qualität, die unmittelbar wirkt und erst danach in die Symbolik kultureller Begrifflichkeit eingeordnet wird – Pop-Musik- Forschung wird zunehmend zur Soundforschung als Forschung von funktionalen Bezüge zwischen Klang und Erregung und ihrer bedeutungsmäßig eingrenzender Vorgabe (JAUK 2002b). Musikwissenschaftliche Forschung ist auf dieser Ebene nicht mehr analytische For-schung, die sich nach der Bedeutung der klanglichen Konstellationen fragt, sondern sich mit deren Funktion und Wirkung in der Rezeption und mit der Katalysator-wirkung von Klang im Prozess der Entstehung und Verstärkung politischer Trends beschäftigt. Liviu von BRAHA (1983) zeigt die Motoren wie auch die Entwicklungsstadien der Rockmusik-Forschung auf. Heute sind es in dominanter Weise die unterhaltenden Massenmedien, die als Medium der Hörerbindung Musik nutzen und deswegen analytisches und wirkungspsychologisches Wissen aus eigenen – von der Wissen-schaft finanziell nicht tragbaren – Großraum- und Langzeitstudien rekrutieren. Es ist auch noch die Tat George Martins als Mittler voranzustellen, dessen Weiß-und Weichwaschen des schwarzen, rebellierenden Rock’n’Roll mit den Attitüden europäischer Hochkultur die Schwellenangst der Forscher verringerte, zugleich aber den inadäquaten musikanalytischen Zugang zur Rockmusik insgesamt vorerst ver-stärkt hat. Der aus der Wissenschaftsgeschichte nachvollziehbaren Hinwendung zur klanganalytischen Betrachtung von Pop-Musik fehlt meist die systematische Erklärung der Adäquatheit dieses Zugangs. Ob der Missachtung der Artfremdheit beginnen diese klanganalytischen Betrachtungen aus dem Blick der Hochkultur, der primär den Transfers von Techniken der E-Musik auf die Pop-Musik durch George Martin analytisch sieht (DIETRICH 1979). BRAHA betrachtet die Musikpädagogik, die Systematische Musikwissenschaft, wie ein allgemeines Interesse der älter gewordenen Rock-Generation an ihrer Jugend (kommerziell durch Revivals der Printmedien, Mode- und Schallplattenindustrie verstärkt, durch Formatradios, die Musik der Jahrzehnte senden, genutzt und verstärkt) als Beweggründe der wissenschaftlichen Pop-Musik-Forschung. Er or-tet vier Stadien: Der Materialorientiertheit der späten sechziger Jahre, die mit klassischen Analysetechniken meist das »Triviale« dieser Musik findet, folgt zum Beginn der siebziger Jahre die allgemeine Diskussion außermusikalischer Bedin-gungen, die dann zum Ende dieser Dekade zu streng empirischen Erhebungen der Rezeption führt, dem Soziologismus folgend. Sich auf den Vater der deutschsprachi-