2.2 Das Konzept Pop-Musik 181 Distribution dieser Musik, die Distribution wird ihrerseits zum Teil eine gestaltende Größe. Die Verwendung von kommerzieller Massenware ist ein ideologisch besetzter, wirtschaftlicher Faktor im Vorfeld dieser Musik für jedermann. Henry Ford hat durch die Massenproduktion das Autos für jedermann, Ferdinand Porsche mit dem Auftrag für das Volksauto soziale Verbreitung der individuellen Mobilität bewirkt – diesem Modell folgte Leo Fender mit der Patentierung der Fabriksgitarre; Nathan Daniel (in den dreißiger Jahren bei Epiphone als Entwickler für Verstärker, seit 1947 eigene Produktion) verkauft seine Danelectro Billig-Gitarre U2, heute Pop-Kult-Objekt, mit Lipstick-Hülsen als Tonabnehmerverkleidung und Klebeband als Zargenverklei-dung seit 1956/58 im warehouse. Diesem wirtschaftlich motivierten Prozess zur Gewinnoptimierung folgt die Verfügbarkeit von Musik und ihre Demokratisierung: eine neue Hausmusik erwächst, musizieren wird zu einer Kulturpraxis für alle. Ver-fügbarkeit abseits kommerzieller Interessen ist dann ideologische Prämisse von Open Source Plattformen und Strukturierung aus informeller Kommunikation im Net. Dieses geänderte Musikleben führt auch zu einem veränderten wissenschaftlichen Blick auf das Geschehen. Im Techno ist heute die Diskussion um die Klangarbeit in der Pop-Musik weitestgehend getan, Realtime-Techniken erlauben mittlerweile die Realisierung jener Spielarten, die mit MIDI zuerst auf rein struktureller Basis möglich waren: die Interaktion Mensch mit Maschine. Auch sie wurde in der elektronischen E-Avantgarde (beispielsweise mit den Theremin bereits in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts) erprobt, ist in der Pop-Avantgarde zur breiteren Anwen-dung geführt und hat zu kommerziellen körperorientierten Steuerungsprozessoren von Sound geführt (z. B. KAOSS PAD und Ultraschallsensoren). Sound als primärer Parameter des Pop ist bereits die Haltung der externen Beob-achter. Der Blick auf den direkt körperlich geformten Sound ist anthropologischen Ansätzen und der Introspektion des Pop-Musizierens zu verdanken. Die technische Machbarkeit ist dabei stets mit dem wirtschaftlichen Faktor als distribuierender und popularisierender Bereich abseits der elitären Avantgarde zu sehen. Die Betrachtung von innen sieht Technik und Wirtschaft nicht als explizite Feinde, sondern als sich gegenseitig gebrauchende Faktoren. Pop ist hedonische Artikulation der expliziten Gegenhaltung, Pop als hedoni-sche Lebensform ist Katalysator der impliziten Gegenhaltung und darin primär non-verbale Kommunikation des Widerstandes, Medium der Solidarität mit so-zialen/ politischen Außenseitern und Identifikationsgegenstand zum Entwurf von Alternativen. Seine musikalische Herkunft entspringt der Nähe zur emotionalen schwarzen Kultur, sein klangliches Design entspringt dem Emotionslaut aus Instru-mentarisierung entsprechenden emotionalen Ausdrucksverhaltens. Pop-Sound ist Körperklang in Generierung und Rezeption, der hedonische und zugleich dissidente Klang, realisiert mit den jeweiligen technischen Mitteln der Zeit. Die Wissenschaft über Pop hat den Schwenk vom verweisenden zum funktionalen Klang mitvollzogen und als ebenso politische Größe erkannt. Pop war von Beginn an motorisch aufwiegelnde Musik, deren Sound und Rhyth-mus zum Tanz erregen und damit potentielle politische Erregung kompensieren sollte. Diese hedonische Qualität wich in den sechziger Jahren dem aufklärerischen Sound, wurde von der Theorie explizit mit Gegenhaltung in Verbindung gebracht und als dessen Zeichen gewertet. Diese sprachorientierte Betrachtung förderte den