2.3 Pop als Stimulans 183 Beziehung gebracht mit der technischen Produktion einerseits, andererseits der Rezeption von Pop, seltener aber mit seiner kommunikativen und damit soziopoliti-schen Funktion. Aus historischen Betrachtungen ist evident, dass Perioden, in denen stark ver-zerrte Sounds vorherrschten, mit Perioden erhöhter Gegenhaltung parallel laufen (Rock’n’Roll, Heavy-Rock, Punk), dass Perioden mit tranceartig einlullendem Sound mit Perioden der Zuwendung zu Alternativwelten einhergehen (Hippie, Trance, Am-bient). Soziologische Untersuchungen untermauern die Aufgabe des Ich zugunsten eines kollektiven Erlebnisses, das BENJAMIN (1968) bereits aus der Sicht der Philo-sophie als Basis einer massenhaften, populären Kultur postulierte; möglicherweise führt dies zur Übernahme und Internalisierung dissidenter, alternativer Ideologien, da gerade in der Phase der Ich-Entwicklung diese durch soziale Anerkennung ver-stärkte Teilhabe funktioniert. Sexualität, oftmals ins Zentrum der informalisierenden Jugendkultur gerückt, spielt eine vermittelnde Rolle; Erregung ist die basale emotio-nale Qualität. Die vorrangig allgemein erregende, körperlich/sexuell stimulierende Wirkung rhythmisch monotoner Stimuli und Klänge ist psychoanalytisch plausibel erklärbar. »It is this combined characteristic of circumventing the world of objects and language which allows music ›direct access‹ to the unconcious. If the unconcious as constituted by psychosexual processes becomes the source of the energy drives of emotional and affective states, then, precisely because of [this] circumvention, music comes to have a special relationship [as well] with the world of emotions« (SHEPHERD & WICKE 1997, S. 58). Es soll nun versucht werden, Sound nicht nur als stildifferenzierenden Parameter, sondern Sound als Bestimmungsmerkmal von Pop mit seiner spezifischen Funktion in einem politischen Klima heraus zu arbeiten. Es gilt, die innermusikalisch geortete Klangdominanz von Pop mit dem soziopolitischen Phänomen Pop zusammen zu führen Es soll versucht werden, Funktionen des Sounds allgemein als motorische, physiologische, psychologische, soziale, politische Aufreizung zu beschreiben: Sound entsteht aus Erregung, er ist Erregung, er erregt Erregung, die als Dissidenz und Hedonismus erlebt/interpretiert wird. Analysen des Pop-Sound sind dann Analysen der (indizierten) individuellen Erregtheit wie des damit einher gehenden Verhaltens, der Dissidenz und des Hedonismus, die letztlich politisch wirken. Klanglichkeit und die Erregungskomponente von Emotion dienen dabei als zentrale Katalysatoren – basal vor jeglicher Bedeutung; Sound ist nicht nur stildifferenzierend, Sound macht das Wesen des gesellschaftspolitisch wirksamen Massenphänomens Pop aus. Hinweise zur Erklärung bieten Erkenntnisse der musikbezogenen Emoti-ons (Wirkungs-) Forschung, die in Bezug zu soziokulturellen und wirtschaftlichen Prämissen von Pop-Musik und zu seinen Folgen gebracht werden. Die Unkonkretheit ihrer Bedeutungsübertragung lässt diese basalen Mechanismen zu jenem Medium werden, das dem Verkauf von Gütern wie der Verteilung von politischen Botschaften als Folie dient. Gerade die Klanglichkeit von Pop erlaubt die Schaffung eines emotionalen Klimas, auf dem Botschaften kommerzielle und politische Wirkung erzielen – damit ist Pop Teil eines wirtschaftlichen/politischen Gefüges. In einem basalen Sinn ist Pop-Musik funktionale Musik, jener Teil, der emotionale Gestimmtheit kollektiv kommunizierbar macht und kollektivierend lenkt.