2.3 Pop als Stimulans 185 emotionalen politischen Klimas; Pop ist empirisch nachvollziehbarer Teil einer auf Images beruhenden, hedonischen Erlebnisgesellschaft (SCHULZE 2000). Wagt man sich von der musikbezogenen Emotionsforschung in den Bereich der Ästhetikforschung, sollte der Bezug zur Emotionsforschung aufrecht bleiben. Die experimentelle Ästhetik (BERLYNE 1970, 1971, 1974) leistet hier die Erklärung der emotionalen Qualität als hedonische Empfindung von Erregung in Genese und Rezeption durch syntaktische Elemente, also Stimuluseigenschaften vor einer Be-deutungszuweisung. Der Faktor »Neuheit« bringt diese Stimuluseigenschaften auf die kognitive Ebene und erklärt damit Erregung aus der subjektiven Erfahrung mit Stimuli und damit interindividuelle Unterschiede. Ein weiterer Bereich musikbezo-gener Emotionsforschung stellt Bezüge zwischen materialen Stimulusqualitäten und der Erregung her, die als Generalisierung der Intensitätswirkung erachtet werden können. Unter der Annahme authentizitätstheoretischer Konzepte sowie einer emotionalen Körperpraxis ist der Sound des Pop Teil einer Bewegtheit, die beim Rezipienten Bewegung hervorruft – Erregung ist auf beiden Seiten der physiologische Mittler – Kontexte lassen diese in der entsprechenden psychologischen Interpretation gewahr werden. Allgemein führen die klanglichen und dynamischen Elemente von Pop-Musik wie die spezifische kontextvariierende Verwendung von Signs nicht bloß zur Betroffenheit, sondern zur Bewegtheit. Der basale und damit allgemeine, signalhafte Kommunika-tionscharakter führt von der Bewegtheit des Einzelnen zur Bewegung von Massen – Musik ist Teil und Motor einer Bewegung. Gegenhaltung sowie Affirmation kommu-nizierende Musik ist Teil und Motor spezifischer politischer Bewegungen. Pop-Sound ist dabei erregender Katalysator eines grundsätzlich hedonischen emotionalen Kli-mas. Mit diesen ideologischen Haltungen des Pop gehen Entwicklungen im Soundge-schehen parallel, die weniger als Zeichen für soziale Botschaften – wie dies das CCCS wertet – zu sehen sind, denn als Teil einer als emotionales Klima begriffenen Pop-Kultur. Das Selbstverständnis des Pop vom Sound als Zeichen für Aufwiegelung mutiert zum aufwiegelnden Sound. Die Rolle jenes, der parawortsprachlichen Kommunikation durch Klanglichkeit parallelen emotionalen Ausdrucksvermögens, der physiologischen Reizung und ih-rer psychologischen Wahrnehmung durch bestimmte musikalische Parameter als Katalysatoren dieser Einstellungsannahme aus experimentalpsychologisch gestütz-ter aktivierungstheoretischer Sicht nachzugehen, ist zentraler Punkt systematisch-musikwissenschaftlicher Arbeit im Bereich populärer Musik, gleichsam Arbeit an ihrer systematischen Musiktheorie. Diese musiktheoretische Arbeit findet in steter Berücksichtigung soziopolitischer, kontextueller dynamischer Gegebenheiten statt. Diese Sichtweise gliedert den Gegenstand Pop-Musik in den Bereich der systema-tischen Musikwissenschaft ein und weist ihn dort als interdisziplinären Gegenstand zwischen ihren Teilgebieten aus, dem objektbezogenen physikalischen, dem sub-jektbezogenen psychologischen sowie dem auf das Umfeld bezogenen soziologischen. Zugleich zwingt dieser Zugang zur Vernetzung mit wirtschaftlichen und politisch-historischen Bedingungen wie anthropologischen Vorbedingungen, in denen sich