2.3 Pop als Stimulans 189 heller bzw. Stimmungsverstärker angenehmer Gestimmtheit meist aufgrund außer-musikalischer Besetztheit, als »self-therapy« (SLOBODA/O’NEILL/IVALDI 2001; SLOBODA/O’NEILL 2001, S. 426) zu beschreiben – allgemein hat Musik dabei psychohygienische Funktion. Die Übertragung der Ergebnisse aus der künstlich kontrollierenden individuellen Hör-Situation des Labors, die letztlich dem passiv sitzenden Hörverhalten des Konzerts nahe ist, (FRITH 1996; COOK 1998) auf die kollektive Situation des Pop- Hörens und die Einbettung dieses Hörens in die soziale Positionierung, z. B. in der Pubertät, ist nicht nur problematisch, sondern möglicherweise auch inadäquat: Die Experimente entspringen doch einer Hörsituation, gegen die sich die Welt des Pop alternativ richtet. Die Ausdifferenzierung von Bedingungsgrößen ist methodische Arbeit; welche Parameter als bedingend gelten, ist dabei ästhetisch vorbestimmt. Die Isolation mu-sikalischer Parameter war geleitet von einem musikanalytischen Denken artifizieller Musik. Harmonikaler, melodischer und formaler Einfachheit der Pop-Musik steht ihre Ausdifferenzierung im Klangbild und im dynamischen Geschehen gegenüber – gerade diese sind die primären Determinanten von Aktivierung durch Musik. Mit Techno ist – was zuvor in der frühen kollektiven Improvisation anklang – Musik entstanden, die zeitlich wenig Fortschreitung, keine harmonikale Basis und Entwick-lung und keine melodische Arbeit kennt, sie ist dynamisch gestalteter Klang, die dem Zwecke dient, direkt zu aktivieren. Phasen des chill out sind nach dynamischen Steigerungen geplante Spannungsregulatoren von Techno-Events, die in parallele, non-narrative multimediale – oder besser multisensorische – Gestaltung eingekleidet sind, wo musikalische Gestaltung, dem Wesen nach Spannungssteuerung, auf Farb-, Form-, Lichtgestaltung übertragen wird. Spätestens mit der Praxis von Techno und seiner theoretischen Selbstdefinition wird klar, was im Pop stets tragend war: Dyna-misch klangliche Arbeit ist primäre innermusikalische Pop-Gestaltung, emotionale Bewegtheit ihre Intention. Damit sind Übertragungen von Forschungsergebnissen betreffend die emotionale Wirkung von solchen, in der Pop-Musik eher sekundären Parametern, inadäquate Generalisierungen und nicht nur musikalischer Sachverhalte, sondern kultureller Bezüge. Pop hat sich einstmals gegen eine mit solchen musikali-schen Wertigkeiten verbundene Welt gerichtet und hat heute diese Gegenwelt zu einem alltagskulturellen Mainstream etabliert, der von Hedonismus getragen ist. Theorien und Forschungen zu acoustic driving effects, der Aktivierung durch dynamische Qualitäten von Stimuli sowie die experimentelle Ästhetik, die ästhe-tisches Empfinden als grundlegend hedonisches, ebenfalls von Erregung geregelt wertet, werden dem praktizierten (Selbst-) Verständnis von Pop möglicherweise gerecht – beide Theorien finden im sprachorientierten (Forschungs-) Paradigma von Musik wenig Beachtung. Dieses folgt eher der Vorstellung, dass Emotionen Bedeutungen tragen und sich in musikalischen Figuren ausdrücken bzw. dass die-se konkrete emotionale Inhalte, emotionale Kategorien hervorrufen. Funktionale Konzepte beschränken sich auf die Bezüge zwischen musikalischen Elementen und grundlegenden Dimensionen von Emotionen. Activity (OSGOOD et al. 1957) besitzt dabei für Musik allgemein, für Pop-Musik besonders, Erklärungswert hinsichtlich ihrer Generierung wie Rezeption und ihrer Funktion im kulturellen Gefüge.