2.3 Pop als Stimulans 191 Emotionen wurde zum wirtschaftlichen wie politischen Faktor. Pop ist ein emotio-nales Konzept der Verführung zur Disziplinierung, zugleich der Disziplinierung der Verführung. Die Wirtschaft spielt ein Doppelspiel: Das gewinnbringende Totspielen des dissidenten Hedonismus auf der von ihr bereit gestellten und kontrollierten Spielwiese zum identitätsstiftenden Gesellschafts- und gleichzeitig zum gesellschafts-formenden Identitäts-Spiel. Sound ist eine Art physikalisches Medium, durch das hindurch sich kulturelle Vorgänge realisieren, nur dass Sound-»Gestalt dabei eben nicht als Resultat und Gegenstand der Aneignung von Welt und Wirklichkeit fun-giert, sondern als ein Agens, das diesen Aneignungsprozess in einer spezifischen kulturellen Form vermittelt« (WICKE 1992). 2.3.2.3 Musik und Emotion als psychologisches Phänomen Die psychologische Emotionsforschung ist primär an negativen Emotionen interes-siert. Das therapeutische Interesse macht die Emotionsforschung zur Angstforschung – Modellbildungen und Methoden orientieren sich meist daran. Wenn auch die allge-meine Psychologie nach ihrem Selbstverständnis in der Struktur von Gefühlen keine Unterschiede sieht, soll doch mit etwas Vorsicht der Generalisierung jener Tatsache begegnet werden, dass musikbezogene Emotion allgemein als Polarität einer von angenehmen versus unangenehmen betrachteten Skala angesiedelt ist (SLOBODA 2001). Bezüge von Musik und Emotion werden verglichen mit Alltagssituationen anderen Vorbedingungen ausgesetzt und haben andere Folgen – obwohl »music fulfills vital functions in many people’s daily lives« (SLOBODA & JUSLIN 2001, S. 81). Allgemein ist das Denken über Musik und Emotion von der Vorstellung lin-guistischer Modelle geprägt. Dies führte in Zeiten narrativer Musikauffassung zur Vorstellung, dass syntaktischen Elementen konkrete emotionale Bedeutungen zu-kämen. Die Nachwirkung solcher ästhetischer Ansätze hat auch die entsprechende Pop-Musik-Forschung überstrahlt – Untersuchungen zur Erregung von vagen Stim-mungen oder bloß zur Erregung von Erregung finden sich in der musikbezogenen Emotionsforschung selten. Mit diesen letztlich unterschiedlichen ästhetischen Hal-tungen gehen unterschiedliche Auffassungen über Emotion einher. In Besinnung auf griechische und römische Konzepte von Rhetorik sind im Barock Vorstellungen entwickelt worden, mit welchen kompositorischen Techniken Hörer in einen emotionalen Zustand versetzt werden können. Zustand signalisiert dabei die Haltung, dass weniger die Progression von Empfindungen als die Erzeugung einer statisch begriffenen Emotion das Ziel war – musikalische Endlosformen ex-emplifizieren diese Repräsentation von einzelnen Emotionen durch musikalische Gebilde: Polyphone Klangstrukturen in montoner Rhythmisierung und hohem Tem-po lassen die Staccato-Einzelklänge im langen Raumhall verschmelzen zu in sich bewegten, räumlichen Klanggespinsten – einer Progression ist dabei nicht zu folgen, der Aufführungsaspekt ist Teil der Komposition. Die statische Stimmung ist wie in entsprechenden funktionalen Musiken bzw. bei Musik im funktionalen Bezug als Klanggestalt verkörpert – eine Rezeptionsart, die heute als ein Versinken in einem Ocean of Sound (TOOP 1997) beschrieben werden kann. BURMEISTERs Musica Autoschediastike (1601) gibt Anleitungen, wie Repetition, Imitation und Konsonanz-