2.3 Pop als Stimulans 193 Ist COOKEs Theorie physikalisch begründet, sieht MEYER (1956) in der Erwartung des Hörers die Ursache für Emotion. »Emotion or affect is aroused when a tendency to respond is arrested or inhibited« (MEYER 1956, S. 14). Dennoch sind es musikalische Gestalten, also letztlich strukturelle Elemente, die die emotionale Empfindung bedingen – auch MEYERs Forschung nach musikalischer Bedeutung ist demnach primär musikalische Strukturwahrnehmungsforschung, eingekleidet in emotionale Forschung. Auch wenn MEYERs Forschungen eher einem dimensionalen Verständnis (mit physiologischer Basis) von Gefühlen verbunden sind als einem kategorialen, so sind sie zwar als abstrakter, aber valider hinsichtlich der Zusammenführung von Gefühlen und Strukturen zu betrachten. Gerade im scheinbaren Mangel der Zuordnung von (konkreten) Gefühlen zu musikalischen Strukturen liegt aus dieser Sicht möglicher-weise der Vorzug der MEYERschen Vorstellung. Musikalische Strukturen erregen Spannung, nicht aber konkrete, verbal bezeichenbare Gefühle, Begriffe, deren Bedeu-tung meist an Situationen gebunden sind und die damit einer außermusikalischen (lernmäßigen) Zuordnung entspringen. Damit steht er auch abseits von semiotischen und sprachähnlichen Denkansätzen. Er nähert sich der HANSLICKschen Vorstellung, dass nicht Gefühle selbst, wohl aber Erregungszustände, die mit solchen spezifischen Gefühlen assoziiert sind, durch spezifische dynamische Qualitäten hervorgerufen werden können. »There are certain aspects of so-called ›inner-life‹ – physical or mental – which have formal properties similar to those of music – patterns of motion and rest, of tension and release«, formuliert LANGER (1942, S. 228). Sie meint darunter präsentative Symbole, die Bedeutungen in einer sinnlich wahrnehmbaren Präsentation vermitteln; letztlich einem Sprachdenken verhaftet, rekurriert LANGER zwar auf das Anzeichen, den Index, die sinnliche Qualität, verlässt damit die Ebene der Symbole nicht zugunsten der Betrachtung des Bezugs von feeling and form (LANGER 1953) aus der Ebene des Signals. Das Symptom als subjektiver Ausdruck wird aus der ästhetischen Betrachtung ausgeschlossen. Was unter dem Aspekt der Kunstmusik und ihrem Sprachdenken als trivialer Topos dargestellt wird (COOK/DIBBEN 2001, S. 58) erweist sich möglicherweise als fruchtbar in der Abgrenzung von jener Musik, die sich gegen jene artikuliert: Eine Musik als Körperpraxis (WICKE 2000) und Medium zur Erregung – zur Gegenhaltung wie zum angenehmen Selbstzweck. Der Bezug von Musik und Emotion ist zu differenzieren in die emotionale Re-zeption (als Wirkung) von Musik und die Möglichkeit, dass wir Musik als geformte Klanglichkeit als unmittelbaren (oder bloß kulturell überformten) nicht nur Aus-druck, sondern klanglichen Teil von Emotion (KNEPLER 1977) bzw. die klangliche Formung als Artefakt des Ausdrucksverhaltens (BLACKING 1977) wahrnehmen, was dann auch in ihre Interpretation Generierung hineinspielt. Gerade Pop ist originäres Musizieren, instrumentarisiertes Ausdrucksverhalten. Die Definition von Emotion wird den beobachteten Zusammenhang zwischen Musik und Emotion bestimmen, andererseits wird die Definition von Musik mit dem Verständnis von Emotion einher gehen: Es werden inhaltliche Bezeichnungen von Gefühlen mit einem sprachorientierten Verständnis von Musik, es werden Aspekte der Erregung eher mit einem funktionalen Verständnis einher gehen. Sprachori-entierte Vorstellungen stehen kategorialen Konzepten, die mit begrifflichen und