2.3 Pop als Stimulans 195 Entwicklungspsychologische Befunde sprechen dafür, dass melodisch-rhythmische Konturen mit emotionalen Bedeutungen verbunden sind und kulturunabhängig kommunikativen Wert besitzen (PAPOUSEK 1996, PAPOUSEK 1994, 1996). Bereits drei- bis vierjährige Kinder sind in der Lage, eine Zuordnung von empfundenem musikalischem Ausdruck und der Darstellung des entsprechenden emotionalen Ausdrucks als Gesichtsausdruck vorzunehmen, dies vor allem für den Ausdruck von Gefühlen wie »happy« und »sad«. Der Ausdruck stärker differenzierter Gefühle ist vager erkennbar. Die Erkennbarkeit steigt allgemein bei gesungener Melodie (DOLGIN & ADELSON 1990). Die nonverbale Befindlichkeitsäußerung im Schreien des Kleinkindes sowie die frühen klanglich begleiteten Mutter-Kind-Interaktionen sind die experimentell nachweisbaren Vorformen des musikalischen Ausdrucks. Aus der Tatsache, dass diese melodischen Gesten interkulturell belegbar sind und sehr früh auftreten, leitet Heiner GEMBRIS ab, »daß die zeitlich-rhythmische Struktur und melodische Kontur einfacher, grundlegender Emotionen wie traurig und fröhlich im musikalischen Ausdruck keine bloße Konvention sind, sondern eine genetische Basis haben« (GEMBRIS 1997, SP. 890). Dabei ist allerdings unbeachtet, ob diese Ausdrucksqualität ein kognitives Erken-nen oder ein emotionales Erleben ist. Betrachtet man dieses Ausdrucksverhalten und sein klangliches Korrelat als Teil eines emotionalen Zustandes, ist anzunehmen, dass auch die Beobachtung der Ausdrucksqualität ein unmediatisiertes, direktes Erleben hervorrufen könnte. Die Beobachtung von Pop als instrumentarisiertes Ausdrucksverhalten und körper-liche Rezeption, allgemein als Körperpraxis, bringt die Erregungskomponente von Gefühlen in den Mittelpunkt der Diskussion. In der gängigen Diskussion der Bezüge von Musik und Emotion wird dieser Aspekt ob der Orientierung an klassischer Musik und somit dem Sprachmodell der Frage nach den Bedeutungen geopfert. Den alltagssprachlichen Terminus Gefühl differenzieren im Zusammenhang mit seiner musikbezogenen Erforschung SLOBODA und JUSLIN (2002). Emotion scheint ein Terminus zu sein, der pop-musikalisches Musizieren als situatives, agitatorisches Ausdrucksverhalten mit Erregung, einer bestimmenden Größe des dimensionalen Konzepts, zusammenführt. Mit OATLEY & JENKINS (1996, S. 124) grenzen sie »affect« von »emotion« und »mood« als einen allgemeinen Überbegriff ab, der sich auf die Valenz einer emotionalen Erfahrung bezieht. BATSON et al. (1992) sieht darin eine basale Größe des emotionalen Lebens und diese als möglicherweise phylo-genetisch bzw. ontogenetisch angelegt an. »Emotion« und »mood« sind in dieser Aussage in dreierlei Hinsicht zu differenzieren: »moods« sind länger andauernde Stimmungen, »emotions« kurzeitiger; »emotions« sind auf konkrete Stimuli und wohl auch auf Events und Situationen bezogen, »moods« hingegen nicht. »Emo-tions « stehen mit gestischem Ausdrucksverhalten in Bezug, »moods« sind von Gesichtsausdrucksverhalten nicht begleitet (EKMAN & DAVIDSON 1994). Hinsichtlich des funktionalen, motivationalen Aspekts von Gefühlen differenziert DAVIDSON wie folgt: »emotions bias action, whereas moods bias cognition« (1994, S. 54) »Thus, emotions can be viewed as phasic perturbations that are superimposed on the tonic, affective background provided by the mood«, argumentieren (SLOBODA & JUSLIN 2001, S. 75) in Weiterführung von DAVIDSON (1994).