196 The exciting Sound of Pop Arousal, die Erregung wird als mögliche physiologische Begleiterscheinung von Gefühlen allgemein gering geschätzt – dies ist auch als idealistisch überformte kulturelle Interpretation zu sehen, was gerade im Zusammenhang mit Pop-Musik als Teil einer hedonisch bestimmten Gegenkultur von Interesse sein kann. Gerade bezogen auf Emotion und Pop ist diese körperliche Komponente zu fokussieren. Sie ist dabei mehr als bloß die Intensitätskomponente von Gefühlen, sie ist mehr als nur die sympathische Erregung des autonomen Nervensystems – sie ist möglicher-weise die auch erlebte und kognitiv begriffene, agitatorische und darin körperliche Seite von emotions. Die neue experimentelle Ästhetik von BERLYNE (1970, 1971, 1974) nähert sich diesem Verständnis an. Als psychobiologische Theorie weist sie Erregung auch als grundlegende Wirkung syntaktischer Elemente aus, vorerst von möglichen semantischen Besetzungen und situativen Bezügen unbeeinflusst. Sie ist eine (Zuwendungs-) Verhalten steuernde Größe, was sie mit »emotions« direkt vereint. Musik als einer zuerst bedeutungsneutralen, strukturierten klanglichen Gestalt fällt die Sonderstellung zu, allein erregend zu wirken. Dies unterscheidet sie im Vergleich mit anderen emotional erlebten Gegenständen der Pop-Kultur, die meist bereits aufgrund ihrer Pragmatik semantisiert sind. Bindet man die oben angeführte Differenzierung in die experimentelle Ästhetik ein, führt die Verbindung von Emo-tion und Erregung in einem dimensionalen Konzept von Gefühlen und ihr Bezug zu strukturellen Elementen zu dieser praktikablen und empirisch bestätigbaren Konzeption für das körperliche Erleben und Generieren von Pop. Psychologische Forschungen zur Musikrezeption im Labor zeigen allgemein ei-ne Aktivierung durch rhythmisch dynamische Elemente, melodisch- harmonische Aspekte wirken auf das Angenehmheitserleben. Außermusikalische Besetzungen bestimmen das emotionale Empfinden von Musik zudem aufgrund von individuell prägenden Vorerfahrungen (SLOBODA & JUSLIN 2001). Funktionale Aspekte können der Rezeption von Musik hinsichtlich ihrer psycho-hygienischen Verwendung zugesprochen werden: Stabilisierung von good feelings, Kompensation von bad feelings – Erregung scheint dabei wiederum die zentrale Dimension zu sein: Aufzumuntern, to alert, ist Funktion, Aufregung, exciting, ist in der Alltagsrezeption von Mainstream nicht gefragt (SLOBODA & O’NEILL 2001; SLOBODA / O’NEILL / IVALDI 2001). Kompensation von eigener körperlicher Akti-vität durch die erlebte Erregung von musikalischen Strukturen und die spezifisch ideologische Besetztheit von Strukturen nach ihrem Aktivierungspotential führt JOST (1982) zur Erklärung von Ergebnissen, die aus Befragungen von Jugendlichen stammen: Danach bevorzugen Arbeiter entspannende Musik und unterscheiden sich darin von den Schülern, die körperliche Aktivität durch Musik suchen. In der zeichen-haften Bedeutung härterer Stile sieht JOST die Erklärung dafür, dass sich vor allem gebildete Jugendliche dem intellektuell fassbaren Dissidenzanspruch solcher Musik zuwenden. Das Aggredere liegt möglicherweise grundlegend in der als härter be-zeichneten Musik als Wirkung der spezifisch rough organisierten innermusikalischen Struktur und der entsprechenden Sounds. Funktionale und zeichenhafte Aspekte treffen sich notgedrungen darin, dass der Erregungsgrad die Bedeutungstendenz vorgibt: Kontext und Text treten in bedeutungsgebende Beziehung.