200 The exciting Sound of Pop Gestimmtheit. Zu beachten ist dabei die Nähe und zugleich der Unterschied zu der Untersuchung der Induktion von angenehmen Gefühlen als emotionales Regulativ, als »self-therapy« (SLOBODA & O’NEILL 2001, S. 422) im every-day-life, also der psychohygienischen Funktion von Emotion für ein Individuum im sozialen Geschehen. GOMART & HENNION (1999) zeigen, dass Hörer nicht automatisch durch Musik »affected« werden, sie konstruieren aktiv ihre »Passivität«, die ihnen die Fähigkeit gibt, bewegt zu werden. »Passivity then is not a moment of inaction – not a lack of will of the user who suddenly fails to be a full subject. Rather passivity adds action, potentializes action« (GOMART & HENNION 1999, S. 243). Reagibilität ist nach HARRER & HARRER (1985) die innere Bereitschaft zur physiologischen Erregung durch Stimuli, den acoustic driving effects (HARRER 1973, 1975). Surroundings in Pop-Events, z. B. musikgetriggerte Light-Flashes, erregen in Form von photic driving effects und dienen als weitere parallele Stimulans, wo Gleichzeitig-Sein, Interpassivität, (WEINZIERL 2000) und Gemeinsam-Sein in der Masse (BENJAMIN 1968) als emotionale Verstärker wirken. Die Erfahrung solcher Situationen und ihre Bewertung als erregend wirken zudem als kognitiver Verstärker. Als externe Faktoren, die diese bewegende Passivität mitbedingen, erweisen sich situative Bedingungen, emotional positiv besetzte Events, wobei diese positive Besetzung assoziativ aus früheren Erfahrungen memoriert wird. Obwohl Emotion hier als eine dem Individuum bewusste »bodily co-operation with an image, a thought, a memory« (HOCHSCHILD 1979, S. 551 zitiert nach WILLIAMS 1996, S. 129) als die Wahrnehmung von körperlicher Energie, als Entspannung versus Erregung betrachtet wird, ist man sich der möglichen Vereinfachung des Problems und der ideologischen Implikationen bewusst. Diese Emotionen sind weder als Stimulus zu bezeichnen, noch als Resonanz zu vorhandenen Stimmungen. Dieses Einstimmen sei »cognitive, but it also draws on more emotive aspects of human consciousness« (Ron EYERMAN & Andrew JAMIESON 1998, S. 23). DeNORA fasst zusammen: »If music is a device of social ordering [. . . ] if it can be seen to have ›effects‹ upon bodies, hearts, and minds, then the matter of music in the social space is an aesthetic-political matter« (DeNORA 2001, S. 176). Ohne Erklärungsmodelle anzugeben beschreibt VESTER (1991) in Anlehnung an TARDE (1890) den Prozess des kollektiven Einstimmens als eine Art Ansteckung. Das ideomotorische Gesetz (CARPENTER 1852), die Nachahmung des Wahrgenommenen und die Koppelung der Bewegung mit der motivationalen Erregung ist Basis der individuellen mimetischen Aneignung (vgl. FREUD 1979, S. 178–1795), die im Kollektiv verstärkt werde. Hier weist sich Musik über ihre emotional erregende Qualität als ästhetisches Werkzeug der sozialen Positionierung und Bildung von sozialen Ordnungen aus – weiterhin als ästhetisches Instrument in einem emotionalen politischen Klima. Damit wird das soziale Feld, in dem das Individuum eine klare Position einnimmt, hin zur anonymen Masse überschritten. Gerade hier dürften basale erregende Aspekte von Gefühlen abseits konkreter begrifflicher Einordnung eine zentrale Rolle spielen. Obwohl angesprochen, werden diese Prozesse, die die emotionale Wirkung inner-musikalischer Parameter vor einer bewussten kognitiven Verarbeitung, der Zuschrei-bung zeichenhafter Bedeutung in den Vordergrund der Rezeption sounddominierter Pop-Musik stellen, aus politischer Vorsicht aus der wissenschaftlichen Diskussion 5 Zitiert nach STUBER, W. J. (1984, S. 54–56)