2.3 Pop als Stimulans 201 weitgehend ausgeklammert. Diese Vorsicht ist angebracht, dennoch: es gibt neben der persönlichen Erfahrung von körperlicher Erregung durch musikalische Para-meter und neben der in der Szene reflektierten Wirkung (Der Rhythmus wo jeder mit muss – so ein Titel von Trio, einer sarkastisch die einfachen Prinzipien von Pop demaskierenden Band der Neuen Deutschen Welle) bzw. der musiktheoreti-schen Selbst-Bestimmung des Techno experimentelle Hinweise auf direkte Erregung durch Intensität und Dynamik musikalischer Stimuli. Gerade solche sind primäre Parameter von Pop. Das Pop-Szenario wirkt meist motivational verstärkend auf diese innermusikalischen Parameter (HAFEN 1993, 1998) und fördert somit im oben beschriebenen Sinn aktiv die Passivität, die Hingabe zu den erregenden ex-ternen Stimuli, die im Pop-Environment meist zur selbstaufgebenden Hingabe, zu Massenphänomenen führend inszeniert sind. Dem Pop immer inhärent, ist Techno die Komposition solcher acoustic driving effects, der kompositorisch beabsichtigten Erregung zur massenhaften Bewegung. Was heute als hedonisch geregelt akzeptiert wird, wurde in der Haltung des aufkläre-rischen Pop als Basis der Aufwiegelung zur Gegenhaltung und damit als emotionale Kraft einer politischen Bewegung interpretiert und erlebt. Mit der Einschätzung der zur emotionalen Rezeption verführenden Musik, sie sei sozial nicht wahr, mahnt ADORNO (1970) vor den politischen Implikationen eines emotionalen Klimas, das gerade durch die Klanglichkeit von Musik zumindest verstärkt werden könne. 2.3.2.5 Musik und Emotion als anthropologisches Phänomen – Erregung als basale Qualität der Kollektivierung Theorien, die Musik als die kulturelle Überformung jener Laute erachten, die eine Emotion begleiten (KNEPLER 1977), Aussagen, die Musik als »Ergebnis von Körper-bewegungen « (BAILY 1977, S. 330) sehen, die Musizieren und als seine Formalisierung Musik als die kulturelle Überformung des emotionalen Ausdrucksverhaltens begrei-fen, geben die Basis für tiefenpsychologisch-strukturalistische Ansätze ebenso wie für empirisch prüfbare der Ausdruckspsychologie und in ihrer basalen Allgemeinheit für solche über kollektive Emotionen – sie beziehen dabei psychologische Ansätze zur musikbezogenen Emotionsforschung und soziologische mit ein, sie betrachten Massenphänomene auf der Grundlage der Allgemeingültigkeit und damit Kommu-nizierbarkeit originären körperlichen Ausdrucks, des Signals. Sie grenzen ab von der willkürlichen Zuordnung eines Symbols zu Ereignissen, das dann davon kundet, wenn die Zuordnung bekannt ist. Diese Unterscheidung zwischen Zeichen und Signal (vgl. PIERCE 1965) lässt sich auch auf die inhaltliche Qualität von Gefühlen und die Basisqualität Erregung sowie den damit zusammenhängenden unterschiedlich kollektivierenden Wert durch deren unterschiedliche Allgemeingültigkeit anwenden. Das (psychologische) Konzept der »vitality affects« (STERN 1985) erachtet die-se als amodal in jenem Sinne, dass sie allen Modi der (emotionalen) Expression gleich angehören, möglicherweise diesen vorgeschaltet sind. Es sind Qualitäten, die mit Intensität, Kontur und Bewegung in Beziehung stehen und daher mit (mu-sikalischer) Dynamik. Ihr kommunikativer Wert wird in der frühen Mutter-Kind Kommunikation gelernt. »Mother and infant respond to one another by constantly adapting and adjusting the intensity, timing and contour of their expressive acts. This process of constant matching of gestural events is referred to as ›attunement‹«