2.3 Pop als Stimulans 205 Pop ist ein kollektives wie kollektivierendes Phänomen. »I am suggesting that the scripts of music and emotion, the habitus of listening, can be helpfully unterstood as a process which is supraindividual (NUNEZ 1997), in which the relationship between music and emotion needs to be understood as extending beyond the minds and bodies of single musicians and listeners, that is as a contextually situated social practice. Emotions relating to music are culturally embedded and socially constructed and can usefully be viewed as being about an individual within a community, rather than being exclusively about internal states.[. . . ] Musical events set up an aural domain of coordination that envelops all those present« (BECKER 2001, S. 151). Dies beschreibt die Vorstellung BENJAMINS vom verstärkenden Kollektiv, dies beschreibt zudem die individuelle Situation im Kollektiv, die WEINZIERL (2000) Interpassivität nennt, die Techno-Events kennzeichnet, wo andere (gleich handelnde) Partizipienten erregungssteigernde Katalysatoren sind. Die Masse dient als kommunikativer und verstärkender Faktor – beides erzeugt ein Gefühl der Geborgenheit in der Masse. Das bei den anderen beobachtete (basale Ausdrucks-) Verhalten entspricht ob der Allgemeingültigkeit dem eigenen und wird verstanden, umgekehrt wird das eigene Verhalten ob der Allgemeingültigkeit von der Masse angenommen, was in der lerntheoretischen Erklärung als Belohnungsfaktor wirkt. Auch das Erzeugen von Sound durch Bewegung, das agitatorische Spielverhalten wirkt animatorisch, es regt zum Mitbewegen an (viele Konzertsituationen bauen darauf), es erzeugt kollektives Driving durch Sound, es steht in Wechselwirkung zu einem physiologisch-psychologischen Mitzieheffekt (RÖSING 2001). »In der Möglich-keit gemeinsam erlebter somatischer Zustände« (BLACKING 1977, S. 9) wie in der Lustkomponente, die mit gemeinschaftlichen Ereignissen verbunden ist (BENJAMIN 1968), liegt die kollektivierende Wirkung von Sound. Heinz-Günter VESTER (1991) deutet das »Imitations«- und »Ansteckungs«-Konzept von Gabriel TARDE (1890) als soziales Urprinzip, als identifizierende Kollektivierung – nicht nur im situativen Kontext, sondern im allgemeinen. Dies macht dann aus individueller Bewegtheit (über die Nachahmung des Wahrgenommenen nach dem ideomotorischen Gesetz (CARPENTER 1852) und den Prozess der mimetischen Aneignung (vgl. FREUD 1970, S. 178–1798) eine kollektive Bewegung – Erregung durch Sound ist das Medium interaktiver Kommunikation, aber auch der Ausgangspunkt für Identifikation – wie das bei der Allgemeingültigkeit körperlicher Erregung angenommen werden kann. Es sind dies nonverbale Formen der Kommunikation, die durch außermusikalische Repräsentanten verstärkt werden, durch Stars mit veröffentlichten Lebensstilen, die dem von ihnen gespielten Soundkonzept entsprechen, die sich als Identifikati-onsfolie eignen. Emotionale Nähe oder auch soziostrukturelle Nähe (STACK 1987) sind begünstigende Faktoren; gezielt werden sie in entsprechenden Musikformen der schwarzen Randgruppen und des White Trash provoziert, die als »kritische Subpopulationen« (VESTER 1991, S. 195) ein hohes Ansteckungspotential haben – jüngst von der Politik wie der Medienindustrie nach Hip-Hop als Wähler bzw. Käuferschicht gezielt angesprochen. 8 Zitiert nach SUBER, W. J. (1984, S. 54–56).