2.3 Pop als Stimulans 209 Das semantische Differential ist ein experimentell gut abgesichertes, mehrdimen-sionales Skalierungsverfahren im Bereich der Konnotations- und Imageforschung, es ist auch jene Methode, die die erlebte emotionale Qualität von Stimulusqualitäten in der experimental aesthetics (BERLYNE 1970, 1971, 1974) prüft. Adaptionen dieses Messinstruments für den ästhetischen Bereich und noch eingeschränkter für den musikalischen Bereich existieren (CROZIER 1974) und dürfen mit hoher Sicherheitserwartung (Validität) angewandt werden. Allerdings macht der kulturelle Bezug emotionaler Besetztheiten diese zeit- und ortsabhängig. Übersetzungen des semantischen Differentials in die Sprachen anderer Kulturen oder auch nur Teilkul-turen sind nicht möglich, sie müssen für diese empirisch neu konstruiert werden und aus sich heraus validiert werden, wie dies OSGOOD tat, um die Konnotationen der Befragten und nicht die Projektion der Angaben über Konnotationen auf dem Erlebnishintergrund der Forscher zu erheben. Grundsätzlich finden sich in der musikbezogenen Emotionsforschung mit dem semantischen Differential nur zwei anstelle der von OSGOOD eruierten drei Fak-toren emotionaler Empfindung. Activity ist jene Erregungsempfindung, die mit rhythmisch-dynamischen Elementen der Musik (meist künstlich erzeugten Stimuli) einhergeht, Evaluation ist jene Angenehmheitsempfindung, die mit melodischen und harmonischen Aspekten variiert. Der üblicherweise in der Emotionsforschung eruierbare Faktor Potency findet sich allgemein in der emotionalen Empfindung von Musik nicht. Dennoch erweitert ein dritter Faktor den semantischen Raum im Bereich der musikbezogenen Konnotationsforschung. Er ist durch die emotio-nale Empfindung der Struktur gerade in den experimentellen Untersuchungen zur experimentellen Ästhetik isolierbar, die Komplexität als Bedingungsvariable des ästhetischen Zuwendungsverhaltens messen. Allgemein darf ein Strukturfaktor bei einer Ereignisform in der Zeit – wie Musik eine ist – nicht verwundern, er stellt dieserart eine musikbezogene Spezifität dar. Eigene Untersuchungen der emotional-assoziativen Empfindung von Pop-Musik und der Veränderung der emotionalen Wahrnehmungsqualität bei gleichzeitig ge-botener, bewegter Visualisierung (JAUK 1994) allerdings zeigen eine selbst von der musikspezifischen 3-Faktoren-Struktur abweichende 4-Faktoren-Struktur. Der Strukturfaktor ist durch den (daneben liegenden) Faktor Potency ergänzt. Die genaueren Analysen der Daten weisen auf folgenden empirisch ausmachbaren Be-stand hin: Je rauer, je unstrukturierter ein Pop-Musik-Stück wirkt, desto härter wird es erlebt, desto mehr aktiviert es auch. Dieser Faktor scheint ein Spezifikum der Pop-Musik-Rezeption zu sein und eine Empfindungsqualität zu beschreiben, die im Insider-Jargon als Druck bezeichnet wird – etwas, das sich von alleiniger Lautstärke unterscheidet und in der Rockmusik-Philosophie die Wirkung des rockig ungeschliffenen, erregenden Sounds konnotiert. Vage ist das Wissen über die Bezüge zwischen den musikalischen Elementen und ihrer Evaluation, ihrer Angenehmheitsempfindung. Einigkeit herrscht über jene musikalischen Elemente, die die konnotative Wirkung Activity hervorrufen: Es sind dieselben rhythmischen, dynamischen und klangli-chen Parameter, die auch die körperliche Erregung ausmachen. Experimentelle Bestätigungen dafür liegen hinreichend vor; zentral in der Experimental Aesthe-tics verankert liefern die experimentellen Forschungen zu dieser Theorie Belege