214 The exciting Sound of Pop gestellt. Klassische Gefühlstheorien besagen, die physiologische Zuständlichkeit ist die Ursache der Gefühle (JAMES 1884; LANGE 1885), die Bewusstseinspsychologie (WUNDT 1874) sieht in den Bewusstseinszuständen die Ursache von Gefühlen, denen dann auch physiologische Miterscheinungen folgen. Kognitive Theorien gehen von der Bewertung des Reizes als Auslöser von Gefühlen aus. Vergleiche mit ähnlichen, in einer Art Langzeitspeicher gelagerten Erfahrungen mit Stimuli bestimmen Zuwendungsverhalten wie Interpretation neu einlangender Information. Was hier als individueller Prozess erscheint, ist die Auswirkung aller im Laufe der Sozialisation erworbenen, privaten und kulturellen Werte bei der individuellen Wahrnehmung und emotionalen Färbung von Stimuli. Gerade der Bewusstseinspsychologe WUNDT (1874) hat die Intensität von Reizen als grundlegenden Stimulus zum Hervorrufen physiologischer Reaktionen experi-mentell isoliert. Bis heute nicht widerlegt, spielt Intensität als Stimulans im Kontext der Theorien Bedeutungen fokussierender Ästhetik keine Rolle. Umso mehr dürfte dieser Zugang – wohl nicht unter Ausschluss der kognitiven, sozialen und kulturellen Bedingungen – in der klang- und rhythmusdominierten motorisch-stimulierenden, letztlich funktionellen Pop-Musik bestimmend sein. Neben einfach abnehmbaren Maßen wie Herzschlag-, Puls- und Atemfrequenz wer-den der psychogalvanische Hautwiderstand oder parallele Mehrfachmessungen mit dem Polygraphen gemessen. Jedoch nicht die Ökonomie des Zugangs sollte die Art der Indikatoren bestimmen. Obwohl miteinander korreliert indizieren verschiedene physiologische Maße unterschiedliche Aspekte der physiologischen Zuständlichkeit und ihrer Bezüge zu externen (musikalischen) Stimuli. Die Respirationsfrequenz und -tiefe mögen jene physiologischen Maße sein, die im zeitlichen Spannungs-Lösungs-Prozess Erregung am unmittelbarsten abbilden. Auftakt geht mit Einatmen, Auflösungen mit ausatmen einher, die vielfältigen musikalischen Arten der Spannungssteigerung gehen mit flacherem Atem und längeren Anhaltephasen einher; kurzfristige zeitliche Spannungs-Lösungs-Prozesse scheinen sich darin abzubilden. Pulsfrequenz scheint eher die gemittelte Erregung über Zeitintervalle darzustellen – Synchronizität ist nicht gegeben; der dynamische Verlauf von Musikstücken, der Spannungsbogen9 dürfte aber damit erfassbar sein. Bevor also Erregung – der traditionellen psychologischen Emotionsforschung folgend – gleichsam nur als Indikator von Gefühlen zu betrachten ist, ist Erregung als eine physiologische Dimension zu werten, die unspezifisch, wenn auch im Kontext von Musik – bezogen auf den optimal präferierten Level ausgewählt – meist als angenehm erlebt wird. Gerade für die Pop-Musik scheint wenig von Bedeutung zu sein, welche Gefühle indiziert werden, vielmehr ist die Beobachtung wertvoll, dass prinzipiell Erregung durch Stimuluseigenschaften induziert wird – dies entspricht der pop-musikalischen Praxis, der Stützung eines emotionalen Klimas ebenso wie dem originären Musizieren des Pop. Es gibt Hinweise, dass auf physiologischer Ebene die Abweichung vom persönlich-keitsprägenden individuellen Arousal (EYSENCK 1967, 1990) grundlegend erregend 9 Die Orientierung des formalen Spannungsbogens an männlichen Formen hedonischen Empfin-dens belege die männliche Dominanz der Künste (vgl. McCLARY 1991, S. 23); Pop-Musik ist auch in dieser Art als männlich dominiert zu werten, das Weibliche ist in Klang, Bild und Performance zeichenhaft erregendes Element – aus männlicher Sicht; selbst Selbstreflexionen (z. B. Madonna) spielen mit einer gewissen Doppelbödigkeit damit.