222 The exciting Sound of Pop Ereignissen zu annähernd linear zunehmender Erregung führt (HARRER 1973). Rhythmische Muster werden dabei auf biologische Muster aufmoduliert. Die gegebene physiologische und emotionale Reagibilität (HARRER & HARRER 1985) individualisiert den acoustic driving effect. Die individuelle Reagibilität und die Art der dargebotenen Musik beeinflussen die Lokalisation der physiologischen Veränderungen; dies ist als Organotropie zu interpretieren. Tempo und seine Veränderung dürften unmittelbar physiologische Zustände oder Veränderungen hervorrufen, die mit Erregung gekoppelt sind. Dies bedeutet, dass abgesehen vom musikalischen Kontext Tempo, Dynamik und der mit ihr natürlicherweise co-variierende Klang unmittelbar Aktivierung hervorrufen können. Ein Faktum, das bei vager Komposition dieser Parameter oftmals der Interpretation überlassen mit einem differenzierten musiktheoretischen Verständnis zunehmend komponiert, im Verein mit elektronischer Machbarkeit exakt gespielt wird und schließlich in der Folge des städtischen Industrial und Punk zu einer ästhetischen Haltung wurde. Diese Avantgarden, die technische Machbarkeit und ihre ob der Massenproduktion zum Billigpreis Verfügbarkeit, haben vermutlich am ideologischen Hintergrund jener Natürlichkeit, die mit der Verbindung von Computerfanatismus und New Age eintrat, zu einer Berufung auf naturwissenschaftliche Erkenntnis geführt, zur Stützung des eigenen, letztlich intuitiven Tuns und zwar nicht in hochkulturellen avantgardistischen Nischen oder akademischen Zirkeln, sondern auf breiter amateuristischer Basis. Tempo, Repetition, Klanglichkeit und Lautstärke sind die primären kompositorischen Parameter von Techno, ihre unmittelbar erregende, (motorisch, sexuell, politisch) aufreizende Wirkung ist deklariertes Ziel. Dabei kümmert sich Pop wenig um die für ihn überkommene Kategorie funktionaler Musik, sondern agiert mit dem Bewusstsein, dass Musik als Zeitform stets mit Spannung spielte und das Spiel des Pop nun nur ein extremes sei – mit seinen primären innermusikalischen Parametern: Sound und Dynamik. Pop, speziell Techno, ist komponiertes acoustic driving, in Sound gesetzte Dyna-mik mit dem Ziel, in der Rezeption zu erregen. In den Digital Arts wird dann (in Weiterführung) ihr Erregungswert als Gestaltungsgröße zusätzlich zur Intensität und Dynamik die Beziehung der syntaktischen Elemente regeln – darin erfährt die experimentelle Ästhetik neue Bedeutung. Die sensorischen Künste führen diese erregungsbasierten und erregungsinduzierenden Kompositionsweisen zusammen, die entsprechende Gestaltung des common digits (JAUK 1999b) führt zu multisenso-rischen Künsten (JAUK 2003b, 2005), zur parallelen Stimulation durch den über unterschiedliche Interfaces in körperlich erfahrbare Stimuli konvertierbaren gemein-samen Code – am Modell der spannungsgesteuerten Gestaltung bedeutungsneutraler musikalischer Codes. 2.3.3.6 Erregung als psychologische Größe Die Bewertung von Erregung ist eine basale Form der inhaltlichen Komponente von Gefühlen. Die Möglichkeit der emotionalen Besetztheit von rhythmisch-klanglichen Gebilden zeigt ein Experiment aus dem klinischen Bereich. Basale Bewertungen wie ange-nehm oder unangenehm lassen sich aus dem Verhalten im Umgang mit Klängen erschließen. Das Experiment zeigt auch Prägung auf, die für bestimmte musikalische