2.3 Pop als Stimulans 223 Parameter erhöhte Zuwendung erklären. Tempopräferenzen könnten eine pränatale Prägung durch den Herzschlag der Mutter sein. Dass die Frequenz des mütterli-chen Herzschlages zumindest wenige Tage und Wochen nach der Geburt, also im Säuglingsalter, beruhigend wirkt, konnte experimentell nachgewiesen werden. Nach SALK (1962) zeigten Säuglinge, denen die Herzfrequenz von 72 Schlägen/Minute über Lautsprecher zugespielt wurde, wesentlich weniger Unruhe-Reaktionen (38, 4% der kontrollierten Zeit) als Säuglinge einer Kontrollgruppe (59, 8% der kon-trollierten Zeit). Die Generalisierung des Herzschlages auf einen perkussiven Klang gleicher Frequenz ist problematisch. SALK konnte Beruhigung nur beim spezifi-schen Doppelrhythmus des Herzschlages, nicht aber bei Metronomschlägen gleicher Frequenz nachweisen. Die angenehme Wirkung des mütterlichen Herzschlages ist nicht überraschend, Generalisierungen auf die beruhigende Wirkung der spezifischen Doppelbetonung beim Einschlagen eines Marsches sind spekulativ. Dass Techno-Music nach der Herzschlagfrequenz orientiert wird, folgt (vermutlich intuitiv) solcher Erkenntnis. Der sinoide Klang der Bass-Drum ähnelt dem des Herzschlags sehr. Zumindest mental, vor allem in den Heavy-Stilrichtungen explizit gespielt, liegt den Zählzeiten bei Rock-Musik stets das »und Eins« zugrunde, also der spezifische Doppelrhythmus des Herzens. Aktivierung bleibt nicht unspezifisch auf der physiologischen Ebene, sie wird psychologisch erlebt und eingebunden in unterschiedliche Kontexte interpretiert – sie scheint davor die grundlegende Erlebnisdimension zu sein, die das inhaltliche Erleben und die entsprechende Interpretation tendenziell bestimmt. Die methodische Schwierigkeit bei der Feststellung der psychologischen Bedeutung von physiologischer Erregung besteht in der Schwierigkeit des verbalen Ausdrucks von emotionalen Zuständen durch deren begriffliche Beschreibung. Zum einen ist es ein kognitives Memorieren einer – wenn auch nur kurz vergangenen – eher automa-tisch wahrgenommenen Situation, zum anderen besteht die Gefahr der stereotypen Zuschreibung durch Vorwissen im Umgang mit entsprechenden Materialien und Situationen, die das Erleben der Erregung verdrängt. Es erfolgt also eine parallele und oftmals dominante kognitive Verarbeitung des emotionalen Werts der Materia-lien und Situationen, weniger der von diesen Stimuli hervorgerufenen Erregung per se. Untersuchungen zur Korrelation von physiologischen Maßen und den verbalen Äußerungen unterliegen meist der Fähigkeit zum verbalen Ausdruck von musikindu-zierten emotionalen Zuständen. Wie im Allgemeinen die Urteile über Musik von Vorbildung beeinflusst werden, so dürfte diese auch die Fähigkeit zur emotionalen Empfindung bzw. deren Ausdruck beeinflussen. Roland MEIßNER (1979) berichtet einerseits über die Zunahme der Differenziertheit der Urteile, andererseits aber auch über die vorbildungsbedingte Stereotypienbildung durch die Überstrahlung einzelner dominanter, meist Stil definierender Eigenschaften. So wirken etwa Jazz-Balladen auf den Jazzer trotz geringer syntaktischer Bewegungen »bewegt« und aktivierend (JOST 1969). Tritt hier ein Überstrahlungseffekt des Stereoptyps, Jazz ist bewegt, auf oder hat die interne Zählzeit im Triolen-Feeling eine aktivierende Wirkung?