2.3 Pop als Stimulans 229 widmen, wie dies digitale pure data-Künste sind, wie dies Künste des common digits sind, folgen in ihrer ästhetischen Gestaltung perzeptiven Mechanismen der Spannungsoptimierung. Dort, wo physikalisch bestimmte Abläufe ob ihrer Regelmä-ßigkeit und Stetigkeit Paradigmata ihres Ablaufs annehmen lassen, in denen wir kausale Verbindungen annehmen (LÉVY 2000), die sich auch auf narrative Ereignisse generalisieren lassen, dort, wo diese nicht mehr gelten, wo also Willkürlichkeit in der Reihung von Stimuli herrscht, ist der spannungsinduzierende Aspekt dieser Reihung motivationale Kraft ihrer Gestaltung wie Zuwendung. Basal scheint dieses Phänomen Erregungsinduzierung durch Intensität (WUNDT 1874) wie das Tempo und die Dichte dieser Reihung (HARRER 1973; HARRER & HARRER 1985) sowie die (subjektiv empfundene) Komplexität (BERLYNE 1970, 1971, 1974) von syntaktischen Elementen geregelt zu sein. Allgemein nach Dynamik und Tempo differenzierte Stile des Techno (ANZ & WALDER 1995) belegen diese naturwissenschaftlich fundierten Gesetze als seine Kompositionsintention. Das Verhalten der Techno-DJs ist theoriekonform, sie nehmen die Kategorisierung ihrer auf driving effects aufbauenden Musik dem erregenden Faktor Tempo nach vor und stellen das menschliche Maß in den Mittelpunkt. Etwa 80 bis 100 bpm sind Mittelmaß; darunter nähert sich technoide Musik mit entsprechender Klangwelt dem ambient bei dem Höchstwert von 240 bpm liegt jungle, wo rhythmische Strukturen zu Impulsen verdichtet einen übergeordneten Rhythmus bilden, gleichsam die Mikrostruktur zur Makrostruktur wird, eine andere Art der »Bewegungsfarbe« wie KOENIG (1955) die innere Bewegungsform nannte und LIGETI (1966) diese als Texturen nutze. Herzschlag dürfte jenes physiologische Maß sein, das – wenig synchron reagierend – die Erregung von langzeitig anhaltenden musikalischen Parametern wie monoton wiederholten Patterns und dem Tempo abbilden. Digitale Sounds – durch die willkürliche Anordnung von Digits charakterisiert – werden nicht nur in ihrer inneren Struktur nach hedonischen Prinzipien geformt und zueinander in Beziehung gesetzt gereiht. Materiale Eigenschaften von Sound, nun willkürlich machbar, wirken bereits in der Pop-Culture als hedonische Größe. Sound wird zum sensorischen Stimulans, digitale Soundgenerierung und -reihung nach Spannung, die Erzeugung hoher Intensitäten in unterschiedlichen Parametern werden zum Modell der Gestaltung von Digits, die dann in solche für andere Sinnesmodalitäten fassbare Gestalten konvertiert werden. Allgemein ist Sound eine immersive Größe, high intensities sind trotz kognitiver Kontrolle oder Reagibilität unmittelbare Wirkgrößen auf die Erregung. (Synchrone) multisensorische Stimulation erhöht diese Wirkung. Die Überführung elektrischer Signale oder des common digits in mehrere sensorisch fassbare Bereiche ist somit ein weiterer Stimulans-Verstärker. Techno-Environments sind durch die Gleichzeitigkeit all dieser Parameter bestimmt, sie zeugen von bewusster Nutzung der Wirkung sensorischer Qualität von Stimuli, nicht deren Bedeutung – multimediale Künste haben sich in multisensorische verändert. Was mit psychedelic events für einige geladene Gäste und friends der factory von Andy WARHOL in den avantgardisti-schen Experimenten der Pop-Art begonnen hatte, ist nun Allgemeingut über Pop – chemische Stimulantien sind damals wie heute Teil dieses Szenarium. Mit der Entwicklung der technischen Möglichkeiten wird auch die Distanziertheit, das Steuern von maschinellen Prozessen zurück genommen, originäres körperhaftes