232 The exciting Sound of Pop zerebral und kognitiv. Musik wirkt tief und direkt auf dem menschlichen Körper als dem individuellen Ort jeder Äußerung [. . . ] und dem individuellen Ort der politischen Auseinandersetzung. Der körperliche Ursprung der kommunikativen Wirkung von Musik unterscheidet diese gleichfalls von der Sprache« (SHEPHERD 1992, S. 54). Die Auffassung, dass der Körper nicht spreche, resultiert aus einer einseitigen theoretischen Sichtweise, die die zeichenhaft sprachorientierte Position einnimmt. Die Frage nach möglichen Bedeutungen von Sound sollte für Pop, gemäß seiner Produktions- wie Rezeptionspraxis, hinter seine emotionale Ausdrucks- und Kom-munikationsfähigkeit gereiht werden: »Hört man eine Stimme, einen musikalischen Sound, so kennt man oft den somatischen und körperlichen Zustand, der sie erzeugt hat« (SHEPHERD 1992). »Indem ein gehörter Klang immer auf seine Klangquelle und diese auf die dahinterliegende Kraft verweist, enthält Klang eine elementare symbolische Qualität, auf der jede weitere kulturelle Logik aufbaut«, argumentiert Shepherd (SHEPHERD 1992). Die der naturwissenschaftlichen Allgemeingültigkeit von Prozessen nacheifernde strukturalistische Sicht verbindet sich mit der Bedeutungsanalyse der Semiotik, dass etwas materialbedingt eine zugewiesene Bedeutung in sich trägt. Ob LACANs (1973–77) Begriff der jouissance, im Zuge der strukturalistisch-linguistischen Reinterpretation der Freud’schen Psychoanalyse geprägt, ob Roland BARTHES (1979a,b) zur Strukturanalyse von musikalischer Interpretation – dem musizierenden Verhalten von Pop näher als musikalischen Texten – eingeführter Begriff der Diktion, auf Julia KRISTEVAS Geno-Text sich beziehend, heran gezogen wird, die Erklärung von Bedeutungen syntaktischer Qualitäten endet in der Erweite-rung sprachorientierten strukturalistischen Denkens um ikonische Bedeutungsträger. Für artifizielle Musik mag dies grundlegend gelten, ihr Denken ist am Modell der Sprache orientiert. Die Verbindung von strukturalistischem und kultursemiotischem Denken ist die Umbewertung sprachorientierten Denkens zugleich aber auch eine zunehmende Entfernung vom wortsprachlichen Denken. Dennoch, der Körper äußert sich, er drückt sich aus, er spricht »eine Sprache die noch vor den Wörtern spricht« (DELEUZE 1992, S. 26). In Modifikation der Kulturanalyse – die am Beispiel der Sprache orientiert ist, mit der einsichtigerweise nur ein Sonderfall der sozialen Kommunikation erfassbar ist –, schlägt SHEPHERD eine Orientierung an der Musik vor; Musik begriffen als Formalisierung nonverbaler Kommunikation mit unmittelbaren emotionalen Mitteln: »Mit Musik kann eine Form der sozialen Kommunikation ins Blickfeld der Kulturanalyse gebracht werden, die die aus der Sprachorientierung resultierenden Begrenzungen überwinden helfen könnte« (SHEPHERD 1992). Von der Seite des Aus-drucks betrachtet, vertritt Shepherd wohl mit Bezug auf SUNDBERG die Auffassung, dass »die inneren Zustände des menschlichen Körpers, die somatisch erlebt sind, [. . . ] zur Quelle extern geäußerter Bewegungen« werden. Für die Empfindungsseite formuliert SHEPHERD: »Für die Klangwelt der Musik gilt [. . . ], dass sie ein Gewebe aus physiologischen und affektiven Stimulationen provoziert, das anschließend in die symbolhafte Ordnung der Sprache eingebunden wird. An diesem Punkt tritt der musikalische Klang in die gesellschaftliche Welt ein und erhält seine Signifikanz, seine Bedeutung« (SHEPHERD 1992, S. 55). Mit der Erwartungshaltung (aufgrund