2.3 Pop als Stimulans 235 cement. Das Wahrgenommene löst Erregung aus, die als solche Wahrgenommen und aktiv erlebt, auch nachgeahmt wird. FREUD (1970, S. 178–17914) nimmt diesen Prozess der mimetischen Aneignung als Ursprung der mimetischen Kommunikation und deren emotionaler Paraqualität an; diese sind die Basis jener Nachahmungs-prozessen, die im Kollektiv verstärkt zu massenhafter Ansteckung führen (vgl. TARDE 1890). »Einfühlung« (LIPPS 1907) auf Basis der Eigenerfahrung führe bei der Beobachtung von Körperbewegung zu deren Imagination und zu entsprechenden affektiven, erregenden Erlebnissen. Die Wahrnehmung von Bewegungsmustern werde nicht abstrakt gespeichert, sondern als »spezifische Lust-Unlustempfindung« in bestimmten Körperteilen (vgl. STÜBER 1984, S. 54). Als eine der Dimensionen inhaltlich deutbarer Gefühle dürfte Erregung unabhän-gig von kultureller Besetztheit sein. Anthropologische Befunde sprechen dafür. Anthropologische Ansätze über vorsprachliche Kommunikationsformen finden in Ausdrucksmodellen ihre Formulierung; sie gehen einher mit Befunden der ex-perimentellen, musikbezogenen Emotionsforschung/Rezeptionsforschung. RÖSING (1981) führt einige Grundtypen menschlichen Verhaltens (LORENZ 1965, EIBL-EI-BELSFELD 1970) mit musikalischen Ausdrucksformen zusammen: »Imponiergehabe versus Zärtlichkeitsbekundung« und »Passivität versus Aktivität« ließen sich in die Grunddimensionen emotionalen Empfindens von Potency und Activity einordnen, mit denen solche Verhaltensweisen assoziiert sind. Sowohl das musikalische Ausdrucksverhalten als auch die emotionalen Grunddi-mensionen sind empirisch durch voneinander abgrenzbare musikalische Parameter und ihre spezifische Ausformung charakterisiert. Vor allem das kompositorische Gefü-ge der Dynamik, die Formalisierung des physikalischen Konglomerats aus Lautstärke, Klangfarbe und Tempo, differenziert zwischen den Dimensionen. Möglicherweise ist dies die Verinnerlichung der Erfahrung mit physikalischen Objekten einerseits sowie mit der intrinsischen Wahrnehmung der Stimmerzeugung andererseits. Gerade Aktivität ist durch körperliche Bewegung wie musikalische Parameter/Gestalten unmittelbar kommunizierbar. Die anthropologische Sicht Georg KNEPLERs (1977) kommt als theoretische Stütze dem funktionalen Charakter von Klang als unmittelbarer Ausdruck mit signalhafter kommunikatorischer Wirkung entgegen. Musik und Sprache sind aus einem gemeinsamen vorsprachlichen Kommunikationssystem entstanden. Der Laut, der eine Emotion begeleitet, ist demnach der Ursprung von Musik, die sich als kulturelle Überformung dieses Emotionslautes herausgebildet hat. Als Teile eines emotionalen Prozesses, einer Aktion, sind Klang, Emotion und auch Bewegung demzufolge in einem direkten Konnex; diese Koppelung macht es wahrscheinlich, dass der entsprechende Sound zudem zum ikonischen Zeichen wird, dass entsprechende Handlungen zu Gesten mediatisiert werden. Pop entsteht aus Erregung, Pop provoziert Erregung. Möglicherweise ist ein Denken in klaren funktionalen Bezügen, das Konnotationen und nicht Bedeutungen fokussiert, Pop und seinem emotionalen Konzept näher. Pop-Musik ist eine Spielart mit dieser erregten/erregenden Haltung, sie geht als originäres Musizieren den Weg der kulturellen Überformung, der Mediatisierung gleichsam zurück. Ist diese theoretische Ableitung zwar der Versuch der Annäherung 14 Zitiert nach STÜBER (1984, S. 54–56).