2.3 Pop als Stimulans 237 eher die artifiziellen (weiß gewaschenen) Formen des Pop, durch die selbstreflexive Pop-Art genährt; ihr Verstehen setzt Vorwissen voraus – die kommunizierende Konnotation von Sound ist funktional und damit allgemein valid. Klang ist Teil des (körperlichen ) Zustandes Erregung, Stimme seine unmit-telbarste Form (vgl. SCHERER 1986, 1991; ZENTNER & SCHERER 1998). Der allgemeingültige Bezug zu Bewegung (als Ausdrucksverhalten) und sein hedonischer Charakter machen ihn zum adäquaten Katalysator in der Dynamik eines kollektiven emotionalen Konzepts. »Entscheidende Faktoren bei der Herausbildung kultureller Formen liegen in der Möglichkeit gemeinsam erlebter somatischer Zustände, den Körperstrukturen, die diesen gemeinsam sind, und den Rhythmen der Interaktionen, die gemeinsam erlebte innere Erregungen in äußerlich sichtbare und übertragbare Formen umsetzen« (BLACKING 1977). Was bislang auf die Rezeption von Musik bezogen war und als eine wesentliche Bedingung für die Stützung eines emotionalen Klimas dargestellt wurde, hat inner-musikalische Ausformungen, die letztlich pop-musikalische Stile differenzieren, die ihnen auch die Gemeinsamkeit bescheinigen: Dominanz von Klang und Rhythmus, allgemein: das Spiel mit der Intensität dynamischer Eigenschaften als unmittel-bar körperliche Hervorbringungen, als Ergebnisse instrumentarisierter körperlicher Erregung. Aus Erregung heraus und wegen ihrer erregungsinduzierenden Wirkung gestalten pop-musikalische Stile vom Rock’n’Roll bis zum Techno mehr oder weniger intuitiv primär den Parameter Sound und (im Verein damit) Dynamik, bevor sie das Vorwissen bedingende Spiel mit Codierung und (postmoderner) Übercodierung im Dienste des gefährlichen, weil auf der Seite der Rezeption missverständlichen, politischen Aufklärertums auf linker (BARBER-KERSOVAN 1992), rechter (FARIN 1995) und alternativer (JAUK 1995b) Seite im Abgesang der New Culture trieben. Letztlich differenzieren sich die auf dem Blues-Schema basierenden 3-Akkord-Stile über Sound und Dynamik, unterscheiden sich durch Sample-Pattern strukturierte Techno-Stile über Tempo und Sound. Allen gemeinsam ist das erregende Spiel mit dem Körper. Für die Interpretation wird körperliches Verhalten – als Ausdrucksverhalten in der romantischen Tradition verfangen – als bestimmender Teil gewertet und experimentalpsychologisch unter Einbeziehung physikalischer Bedingungen des Körpers belegt (TODD 1995). Was sich innermusikalisch in der Dynamik des Klangs manifestiert und kompositorisch/interpretatorisch genutzt wird, ist letztlich dem musizierenden Verhalten eigen, ist Artefakt dieses Ausdrucksverhaltens. Mit emotionaler Bewegtheit geht nicht nur lautliche Äußerung (KNEPLER 1977), sondern auch körperliche Bewegung einher. Die Extension dieser Bewegung erzeugt über ihre Instrumentarisierung Klang. John BAILY sieht »Musik als Ergebnis von Körperbewegungen, umgesetzt in Sound« (BAILY 1977, S. 330) an. Das Musizieren des Pop ist unter der Prämisse einer engen Körper-Klang- Koppelung zu betrachten. Dabei ist in Weiterführung des anthropologischen Ansat-zes Musizieren nicht die mediatisierte Stufe des emotionalen lautlichen Ausdrucks, also die Transformation des stimmlichen Lautes über ein Zeichensystem und eine technische Einrichtung in einen nicht-stimmlichen entsprechenden Klang, sondern die instrumentale Verlängerung des Ausdrucksverhaltens. Während die Geste bereits