2.4 Pop als Sound-Musik 243 dernatürlicher Bewegungsabläufe des Körpers in Form) handwerklicher Fähigkeiten durch die Extension körperlichen Ausdrucks- und damit Kommunikationsverhal-tens. Demokratisierung, Amateurismus und Informalisierung verbinden sich hier im originären Musizieren. Die Entwicklung des Pop-Instrumentariums ist die Entwicklung direkter Klang-former abseits jener Instrumente, die auf der Konzeption basieren, Zeichen in Klang zu konvertieren. In der Pop-Stimme findet sich die Rückbildung der kulturellen Überformung zum originären Ausdruckslaut. Die Instrumente sind in ihrem pop-spezifischen Gebrauch die Instrumentarisierung des mit dem stimmlichen Klang verbundenen körperlichen Verhaltens. Das Spiel der Gitarre nutzt dabei technische Artefakte. Das körperkontrollierte, akustische Feedback-Spiel, die den verzerrten Sound des übersteuerten Verstärkers filternde Anschlagtechnik (z. B. das Kippen in Teiltöne) und schließlich technische Erweiterungen, die den Stimmlaut imitierend das Ausdrucksverhalten instrumenta-risieren (z. B. die Bedienung des Wah-Wah-Pedals). Damit fließt die Instrumenta-risierung des körperlichen Ausdrucksverhaltens in das Spielverhalten der Gitarre direkt ein. Der Synthesizer, aus der elektronischen Musik der Kölner Schule hervor gegangen, ist – der Grundhaltung folgend – die Übertragung des Reihendenkens auf den Mikrokosmos des Klanges. Letztlich ist darin die Verschriftlichung des Klanges, seine Kodifizierung vor der Digitalisierung vorweg genommen. Konstruktion von Klangstrukturen und nicht körperliches Interagieren mit Sound waren die Techni-ken der Klang- und Partiturgenese der Kölner. Spätere live-electronics, schon im Überschneidungsbereich mit den direkt Klang verarbeitenden Methoden der Pariser Schule der musique concrète angesiedelt, widersprachen dem strengen Reihendenken, dem Denken in hochmediatisierten Zeichensystemen. Der Einzug des Synthesizers in den Pop ist fern ab seiner Bestimmung motiviert ein Klang-Synthese-Instrument zu sein; den künstlichen Klang mit Modulations-weisen des interpretatorischen Spielens zu versehen, das war das Ziel. Bereits der Gebrauch der Klaviatur engt bewusst auf das Spiel der Klänge an die mit der zei-chenhaften Repräsentation von Musik gebundenen vorgegebenen Tonhöhen ein, die Klanggestaltung selbst stand nicht im Vordergrund der Diskussion und Nutzung des Synthesizers im Pop. Die mit dem Notensystem entstandenen primären Parameter der Klänge – ihre Höhe und Dauer – wurden favorisiert und nicht die Gestaltung des Klanges selbst – mit MIDI15 kulminierte dieser Gebrauch. Die Adaption des Synthesizers im Pop sowie die MIDI-Steuerung sind gleichsam die Hervorbringung eines Verständnisses von Klang durch Repräsentanten, der Mediatisierung von Klängen durch Zeichen. Mit dem digitalen Multisampling wird die Repräsentanz jeglichen Klanges, jeglichen Instruments möglich – Repräsentanz verschmilzt mit dem ersatzartigen Nachstellen. Die klangmodulierenden Spiel-Möglichkeiten des monophonen Samplings durch Transposition (unterschiedliche Auslesezeit), filter-ähnliche Verzerrung (unterschiedliche Ausleseraten) und Loops unterschiedlicher Sampleteile treten hinter das Repräsentieren von Klängen. Dennoch ist die (klang- 15 Musical Instruments Digital Interface ist ein genormter Code, der die genannten klassischen Parameter in ihre maschinelle Verarbeitung überführt. Zum Prozess der Normierung siehe weiter unten.