250 The exciting Sound of Pop Qualität zur sensorischen Erfahrung. Pop war dieses Charakteristikum als hedoni-scher Tanzmusik wie als Musik der aufklärerischen Gegenhaltung zur erregenden Aufwiegelung stets eigen. Dabei dürfte unspezifische Erregung durch Surroundings mit Bedeutung geladen werden. Hedonismus und Gegenhaltung sind Zuordnungen, die beide der Erregung bedürfen, sie sind letztlich Interpretationen von Erregung im spezifischen Kontext. Jene Formen von Pop-Musik abseits weißgewaschener Pop-Musik und dem in psychohygienischer Funktion Entspannung verströmenden Mainstream-Pop ereignet sich in einem rhythmisch, dynamisch-klanglichen Gefüge, das als rau, hart und aktivierend erlebt wird. Diese innermusikalischen Qualitäten schaffen Erregung als Basis der Gegenhaltung wie des Hedonismus, sie wirken funktional. Sound ist der adäquate Parameter der Wesensbestimmung von (dieserart funktionaler) Pop-Musik, als Teil des emotionalen Ausdrucks. Bestimmte Spielweisen und Techniken verstärken erregungsinduzierende Sounds. Das Anschleifen der Oktave aus der Septime beim Spiel der Gitarre macht aus dem sinoiden Ton ein Klanggemisch, das sich im Bereich des äußeren Randes der Frequenzgruppe (ZWICKER & TERHARDT 1980) ereignet, wo zwei Töne zu einem rauen Klangempfinden verschmelzen – gerade im Rock’n’Roll wird diese Spielweise (besonders von Chuck Berry und ihn imitierend) an betonten Stellen genutzt. Exciter ist jenes tontechnische Instrument, das einem Klang künstlich ein har-monisches Obertonspektrum beifügt, ihn damit klanglich prägnanter macht bei Erhöhung der Transparenz des gesamten Klangbildes; ein höhenbetonter und kla-rer Klang, bedeutet auf der Seite der Rezeption erregender Klang zu sein. Dieses Studio-Tool hat musikpsychologische Studien zum emotionalen Erleben von Klängen als wissenschaftlichen Background; hinsichtlich seiner pop-spezifischen Ästhetik weist es auf Vorfahren in der Entwicklung des Instrumentariums des Pop-Sounds hin. Der Verzerrer, entsprungen aus der Erfahrung der hackerartigen Nutzung der Übersteuerung (der Verstärkervorstufen) von Röhrenverstärkern, ist jenes Gerät, das diese Psycho-Technologie als Effekt nutzt. Das sinoide Klangbild der Gitarre wird obertonreicher und damit aufreizender. Die Fuzz Box ist ein Distortion-Tool, das auch ein unharmonisches Obertonspek-trum erzeugt, also den Klang geräuschhaft macht. Ihr erster Einsatz im Eröffnungs-riff/ Gimmick der Rolling Stones Nummer I can’t get no satisfaction ist ikonisch: In der Materialqualität ist die inhaltliche Bedeutung tendenziell vorgegeben; die emotio-nale Empfindung Erregung geht mit der inhaltlichen Orientierung einher. Später, bei der Revolution, findet dieses Instrument einen ähnlichen psychologisch-ästhetischen Einsatz, wobei die Erregung im Kontext der Gegenhaltung inhaltlich aufgeladen wird – exciting Sounds im Schmelztiegel von Hedonismus und Gegenhaltung. Vor allen Spielweisen und Effekttechnologien ist es aber die Entwicklung zweier grundlegender Gitarretypen, deren Bauweise verschiedene Sounds mit unterschiedli-cher Erregungsqualität generieren und einen neuen ästhetischen Einsatz implizieren. Das virtuose Spiel auf dem traditionsorientierten Edelholzinstrument, der sustainrei-chen und klangintensiven (Gibson-) Gitarre, ist eine Interdependenz eines komplexen ästhetischen Gefüges, das mit dem schwermütigen Pop der späten sechziger Jahre beschreibbar ist. Jene weiße musikalische Form geht weiterhin mit der Entwicklung