2.5 Pop ist instrumentarisierte körperliche Soundarbeit 255 2.5.2.3 Der körperlich geformte Klang Nicht bezogen auf die Rezeption des Klanges, wohl aber auf die Generierung stehen hinsichtlich der Mediatisierung das Studio als Instrument MARTINs wie die maschi-nelle Process-Music REEDs im Gegensatz zum unmittelbar körperlichen Generieren von Klang. Das originäre, unmittelbar körperhafte Musizieren, das unmittelbar kör-perliche Rezipieren machen schließlich Sound zum Teil eines politischen emotionalen Konzepts. In dieses Konzept ist Musizieren als konnotative, nonverbale Ausdrucks-form beispielhaft integriert in den live Versionen von Maschine Gun wie in Star Sprangeld Banner von Jimi Hendrix mit Buddy Miles (dr.) und Billy Cox (b.) live in der Band of Gypsys (1970)22 sowie Mitch Mitchell (dr.) und Noel Redding (b.) mit dem Experiences live am Woodstock-Festival (August 1969) performed. Neben den lautmalenden ikonischen Geräuschen von Maschinengewehrsalven und den diving bombs und der die Melodiekontur begleitenden und schließlich damit den emotiona-len Gehalt des Textes übernehmenden und damit weiterführenden Gitarre ist es vor allem das körperkontrollierte Spiel mit dem Feedback, die Instrumentarisierung des emotionalen Erregungsverhaltens, die direkte gering-mediatisierte unmittelbar körperlich-klangliche Ausdrucksform, die unmittelbar körperliche Klanggestaltung, das die spezifische und wesentliche Komponente in der Generierung von Pop-Musik als bestimmenden Teil der Körperkultur Pop ausmacht. Wiederum ist der Kontext bedeutungsgebend: Die Bewegungen von Hendrix sind kontemplativ statisch im immersiven Sound versunken während die lasziv kreisenden Bewegungen Körperbewegungen eines Soul-Gitarristen beim monoton ostinaten Einwerfen kurzer, rasender Rhythmusstöße auf der schrillen Stratocaster Teil einer Erregung in einem anderen Bedeutungsumfeld sind. Dissidenz und Hedonismus finden dieselbe basale Ausdrucksform in hoher Erregung – Erregung ist ein Teil diese Zustandes wie das entsprechende Verhalten und der entsprechende Klang. Eine Annäherung an das körperhafte Musizieren findet sich im unkultivierten Ausdrucksspiel des Blues mit open tunings ebenso wie im expressiven Ausdrucksver-halten, dessen Artefakt das Dröhnen der vielbesagten drei Akkorde im Punk ist. Die virtuose Spielform der Bluesgitarristen, der Guitarheros, gegen Ende der sechziger Jahre, ebenso wie das Spiel des ausgeklügelt produzierten, punkigen Grunge-Sounds der Gitarre von Thurstone Moore bei Sonic Youth sind dann bereits bürgerliche Überformungen oder bedeutungssteigernde Verweise auf die eigene Dissidenz. Die coole Spielweise in der Laptop-Music (stilisiertes Markenzeichen des Mego- Lables) ist die folgerichtige Negation des Ausdrucksverhaltens in der Steuerung entmediatisierter Klänge – eine Spielart des Ausdrucksverhaltens. Es stehen sich hier mehrere klangdominierte Welten der Pop-Musik gegenüber, zwei Kompositionstechniken und damit unterschiedliche Stufen an Mediatisierung im Spiel des technischen Instrumentariums, die Erregung vermittelt oder unvermittelt kommunizieren. Letztlich tragen sie zur Bewegung bei und entwerfen damit eine alternative (Musik-) Welt. Diese klanglichen Realisierungen tragen als Gegenentwurf den hackerartigen Missbrauch und den direkten Körperausdruck in sich. 22 Band of Gypsy. Jimi Hendrix, Buddy Miles, Billy Cox (1970), Popydor. Recorded live by Wally Heider on New Year’s Eve 69–70 at Fillmore East in New York; Remixing&Engineering by Eddie Kramer.