2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 259 keit stand im Dienst der Simulation des Natürlichen und Gewohnten. Das Klangbild wurde durch die, den Live-Charakter eines kleinen Tanzsaales akustisch kennzeich-nenden, starken early reflections nachgestellt: das Shatter-Echo der Rock’n’Roll Songs der fünfziger Jahre war der Versuch, die Live-Atmosphäre der Tanzclubs, ihre Emotionalität zu konservieren. Die primäre Funktion der Musik war, zum Tanze aufzuspielen; die Schallplatte wurde erst allmählich vom modifizierenden Transportmedium und Ersatz des Live-Acts duch den Einsatz von DJs zum letztlich kreativen Korsett, das eigenständige Musik hervorbrachte. Zudem werden in der elektronischen Clubszene wie im amateuristischen Bereich der Tanzmusik Tonträger nicht zum Erstellen eigenständiger spezifischer Musik genutzt, sondern als Ausweis betrachtet, der erhöhte Chancen für den finanziell gewinnbringenden Live-Auftritt erbringt. Das körperliche Verhalten der Musiker in den Background-Bands der fünfzi-ger Jahre war nicht Spiel aus der Klang-Körper-Koppelung, sondern einstudierte Choreographie, die formale Aspekte betonte und den Fokus auf bestimmte Ensemb-legruppen lenkte: die visualisierte musikalische Form, wie sie in die Fernsehshows der frühen sechziger Jahre einzog und noch später in manche Videoclips. Solisten brillierten mit akrobatischen körperlichen Spieleinlagen, die das Ausdrucksverhalten weit überstiegen, dennoch den hedonischen Körper ins Spiel brachten. Das Klavier-spiel mit Händen und Füßen, das Schwingen der Gitarren und Blasinstrumente, das Drehen des Basses etc. sind solche Showeinlagen, die in den späten fünfziger Jahren mit den die soziale Etikette des körperlichen Verhaltens sprengenden, individuellen Tanzstilen parallel gingen und eine frühe Phase der Informalisierung durch Pop indizieren. Das Bühnensetting entsprach den Lautstärkeverhältnissen der noch unverstärkten oder bloß gering verstärkten Instrumente und deren (allgemeiner Bedeutung im Prozess der Herausbildung eines neuen Ensembles wie, damit zusam-menhängend, deren) Wichtigkeit hinsichtlich des Gesamtklangs im musikalischen Ablauf, Solisten hoben sich körperlich hervor. Die Formation der Rock’n’Roll-Combo der fünfziger Jahre kann als Weiterentwick-lung des Unterhaltungs-Jazz/Swing-Orchesters der vierziger Jahre gesehen werden, dessen Stil und (Hollywood-Film) Sound den Mainstream des Pop der fünfziger Jahre neben dem Flair des Country-Songs bestimmte. Zur spezifischen Reduzierung des Instrumentariums bzw. zu ihrer neuen Rangordnung dürften hauptsächlich die Ökonomie, motiviert in der wachsenden Mobilität aufgrund der einsetzenden massenhaften Nachfrage nach Tanzmusikgruppen, sowie die starke Rhythmisierung des neuen Rock’n’Roll beigetragen haben. Dadurch wurde das Instrumentarium auf die rhythmisch-harmonische Stützung der melodieführenden menschlichen Stimme reduziert. Der Notwendigkeit der mu-sikalischen Ordnung eines Ensembles folgend werden Pop-Songs von wissenden Komponisten komponiert, von Bandleadern arrangiert, von geschulten Musikern gespielt. In Zeichen gesetzte Musik wird von Professionisten klanglich realisiert als Background zu einer amateuristischen ausdruckstarken Stimme im Vordergrund. Einzig die Stimme hat in der Interpretation der vorgeschriebenen Melodie unmittelba-ren klanglichen Ausdruck körperlicher Zuständlichkeit einzubringen. Entsprechende körperliche Bewegungen sind Teil dieses emotionalen Ausdrucksverhaltens. Das Spiel der solierenden Saxophonisten wie der (noch) akkordisch-solistisch spielenden