2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 261 Schwarze Musik, der Blues, spielt nicht nur als Wurzel des Rock’n’Roll, des Hard Rock eine Rolle, schwarze Musik wurde die dominante Unterhaltungsmusik der Weißen. Seit der Zuerkennung der Bürgerrechte (1964) als Massenartikel einem weißen Publikum verkauft, bestimmt diese auf motorische Mitbewegung orientierte Tanzmusik den Erlebniswert Freizeit: Saturday Night Fever – vom Soul über Disco wurde schwarze Körperlichkeit bis zum weißen Techno adaptiert. Dabei zieht sich Hedonismus als Wesen des Pop durch seine Geschichte. Tamla Motown ist das Label, das schwarze Musik in unbekümmerter Manier für ein weißes Publikum produzierte und aufreizende Rhythmen und Sounds gebrauchte, um mit schwarzem Mainstream das weiße Durchschnittspublikum zum Kauf zu verführen. Der Erwartung der Weißen von schwarzer Exotik wurde mit aufreizendem Gehabe und Outfit entsprochen – die Körperlichkeit der Dance-Scene besteht bis heute. Das reifere Publikum gehörte der südlichen Produktionsfirma Memphis, die die entsprechenden klanglichen Elemente in gemäßigter, auf der Skala der Erregung eher im weicheren, wärmeren (Sound-)Bereich angesiedelt, nutzte. Seiner Intention gemäß scharte James Brown das radikalere schwarze oder auf seiner Seite stehende weiße Publikum durch den extremen und puristischen Einsatz bewegender musikalischer Elemente um sich. Wenige Jahre später greift ein weiterer Kämpfer für die Selbständigkeit der Schwarzen, Miles Davies, auf diese instrumentalen, puristischen Elemente zurück und begründet damit die Fusion von Rock und Jazz: einerseits ist das stete Drängen der coolen Richtung entnommen, andererseits sind die rhythmisch-klanglichen Elemente in der Nähe des Soul angesiedelt und haben Parallelität zu den treibenden, in sich pulsierenden Rhythmus-Teppichen von James Brown. Allen gemeinsam ist neben der motorischen Aufwiegelung die Erzeugung hoher Erregung durch die extrem höhenbetonten Sounds. Dieses aufreizende Element wurde vorrangig durch das Arrangement erreicht: Scharfe Blechbläser-Sätze, hohe, vibrierende weibliche Chorstimmen, schrille und fast zur Percussion reduzierte tonhöhenlose Gitarrenriffs; im Verein mit metallen klingenden, später angeschlagenen und solistisch24 gespielten schwarzen Bässen – eine Hochzeit für Fender-Instrumente und Verstärker, deren klarer Klang dafür auch stilprägend wirkte. Den perkussiv-metallen klingenden Sound des stark rhythmisch akzentuierten, in Slap-Technik gespielten Bass kolportierte Stanley Clark, die Reduktion der Gitarre auf extrem geräuschhafte Rhythmisierung Nigel Roger in Jazz und Pop. Außer der höhenbetonten Mischung war der Sound durch Arrangement, Instru-mentierung und spezifische Spielweisen geprägt. Klangbestimmende Effekte trug Phil Spector in den schwarzen Mainstream Soul. Die Klangmauer aus weiblichen Chorstimmen in River Deep Mountain High überhöht den erregenden Sound; mit der wall of sound hat Phil Spector das Studio als Instrument – eine den weißen europäischen E-Avantgarden entwachsene Technik – mit den innermusikalischen Parametern der Black Soul-Music zu höchster Erregung zusammengeführt. 24 Für den die White Generation prägenden Bassisten der Who, John Entwistle, war der Motown Bassist, James Jamerson, Vorbild. Entwistle spielt kurze, gimmickartige Soli und rhythmisierte Riffs im höhenbetonten distorted sound. Insgesamt übernimmt sein Bass die Funktion der Rhythmusgitarre.