2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 273 steuerung der Röhrenverstärker oder vorgeschalteter Röhrengeräte, später Sustai-ner/ Overdrive und Distortion als ein der Verstärkung vorgeschaltetes Effektgerät) im Verein mit der sich dem Blues und damit dem aus dem Jazz kommenden im-provisatorischen Spiel zuwendenden Rockmusik der zweiten Hälfte der sechziger Jahre möglich. Vor allem die Entwicklung der Bauweise der elektrischen Gitarre war von dem Bemühen geprägt, höhere Lautstärken für ein zunehmendes Publikum in größeren Sälen ohne Rückkoppelungen erzielen zu können ebenso wie ein länge-res, sustainreicheres und nicht perkussives Klangverhalten. Die Solid-Body-Gitarre mit elektrischer Verstärkung erfüllt diese Anforderungen, was sich wiederum im geänderten Spielverhalten und in geänderten Einsatzmöglichkeiten auswirkt. Die Verdrängung des schwer zu verstärkenden Saxophons durch die elektrische Solo- Gitarre ist durch die Solid-Body-Gitarre und den Röhrenverstärker erst denkbar; im Verein mit technologischen Entwicklungen hat die leichter spielbare Gitarre auch den Amateurismus begünstigt. Die unverstärkte Gitarre wurde im Jazzorchester akkordisch gespielt. Dies ist eine Implikation des 6-saitigen Instruments. Die Übertragung des akkordischen Spiels auf das solistische ermöglicht zugleich auch höhere Lautstärken und damit Durch-setzungsvermögen, es bestimmt großteils den solistischen Einsatz der E-Gitarre in den fünfziger Jahren. Solistische Passagen in parallelen Quarten – in weicheren Musikformen in Terzen – sind die reduzierten Formen akkordisch angelegter Soli, sie nehmen auf die Hörgewohnheiten und die Kompensation geringer Verstärkungs-möglichkeit jener Zeit zugleich Rücksicht. Die aus dem Jazzorchester übernommene, verstärkte Resonanzgitarre bzw. später Halbresonanzgitarre dominiert trotz höherer (akustischer) Rückkoppelungseigenschaften als Soloinstrument bis in die frühen sechziger Jahre (im Liverpool Beat). Das solistische Spiel ist dabei verzierend aus dem Akkord heraus geführt; dies dominiert das solistische Spiel George Harrisons. Das Single-Note Solospiel, allgemein ein Artefakt der Verzerrung durch extreme Verstärkung, führt vom Beat über den Heavy Beat zum Hard-Rock. Die Bindung an Tradition und Hörgewohnheiten lässt vorerst die bereits von Leo Fender für die kommerziell gewinnträchtigere, weil damals populärere Coun-try& Western Szene entwickelte und maschinell fertigbare sehr obertonreiche (Single- Coil) Solid-Body-Gitarre erst allmählich als rhythmisches Instrument zum Einsatz kommen. Der Klang der verstärkten akustischen Gitarre ist aufgrund des resonie-renden Klangkörpers lauter und kräftiger – die anfänglich noch stark mikrophonisch wirkenden Tonabnehmer nahmen auch den abgestrahlten Schall auf. Der Klang der verstärkten akustischen Gitarre besitzt keinen stationären Anteil, da aufgrund der Übertragung der Schwingungsenergie von der erregten Saite über den Steg auf eine schwingende Decke und damit an die sie umgebende Luft ein rascher Abbau der bloß einmal (durch Anreissen) zugeführten Energie an die Luft erfolgt. Mit der kurzen Ausschwingzeit geht somit Obertonarmheit einher, da die Energie der schwächeren, höheren Obertöne rasch nach ihrem Erklingen beim Anschlag abfällt. Der Einschwingvorgang ist durch den Anschlag mit einem Plektrum steil und ge-räuschhaft, also mit nicht harmonischen Obertönen, versehenen. Der Klang der elektrisch verstärkten akustischen Gitarre ist somit weich und zugleich perkussiv. Er ist dem der akustischen Gitarre ähnlicher als dem einer E-Gitarre.