278 The exciting Sound of Pop Diese Selbstorganisation ist mit dem Amateurmusizieren gekoppelt. Es wurde aus der Skiffle-Group weiter geführt und wurde von den Beatles verstärkt. Leo Fender hatte fast eine Dekade zuvor mit der maschinell gefertigten, billigen Massenware Elektrogitarre ihre Verfügbarkeit und damit die Grundlage für jene Musizierhaltung und die damit gekoppelte Ästhetik und ihre Verbreitung geschaffen; später werden PC und Soundblaster durch ihre Verfügbarkeit ähnliche Revolutionen bringen. Die Selbstorganisation steht bald auf breiten wirtschaftlichen Beinen. Die Ver-schiebung der Konzentration des Musikbusiness von Amerika nach Großbritannien ließ dort eine heimische Musikinstrumentenindustrie erwachsen. Vox wurde über die Beatles verkauft. Jim Marshall – heute ist sein Name Synonym für schweren Sound – benannte mit dem Blues-Breaker die Liaison zwischen seinen Produkten und einer Ideologie, aus der schließlich der Heavey-Sound hervor ging. Eric Clapton spielte diesen Verstärker bei John Mayell. War die Szene der Hafenstadt Liverpool vom Import des weißen Rock’n’Roll geprägt, so war die Londoner-Musikszene der frühen sechziger Jahre anderen Haltun-gen und somit einer anderen Infrastruktur ausgesetzt. Die möglichst authentische Wiedergabe des Blues, das Sich-in-Musik-Versenken, das Spielen für Gleichgesinnte in Clubs und nicht vorrangig das kommerzielle Interesse an Musik oder auch die Not-wendigkeit, von ihr zu leben, prägte die Gesinnung der Musiker und die der elitären Szene in den einschlägigen benachbarten, letztlich aber konkurrierenden, weil ästhe-tisch besetzten Clubs. Die Abgrenzung vom Traditional Jazz, die innermusikalische Diskussion um die von Muddy Waters 1958 auf einer England-Tournee praktizierte Elektrifizierung des Blues trugen zu Kleingruppenbildung und damit zu einer gerin-gen internen Konsistenz der Musikszene bei. Vor allem die Clubs um die Musiker Alexis Korner (Marquee) mit seiner Gruppe »Blues Incorporated« und John Mayell mit seinen »Blues Breakers« waren das Reservoir für jene Musikerszene, die bei erstarkendem kommerziellen Interesse – vielleicht durch den Erfolg der Liverpooler Szene motiviert29 – ab der Mitte der sechziger Jahre aus dem freiwillig kultivierten Untergrund hervortraten und die Pop-Musik der späten sechziger Jahre ideologisch und musikalisch bestimmt hatten. Diese war geprägt von einem in der sozialen Ferne begründeten Missverständnis der sich nach unten stilisierenden weißen Mittelklasse- Kids von einer authentischen Interpretation schwarzer R&B-Musik, einer Musik mit deren Trägern sie niemals in Berührung kamen (HEBDIDGE 1979), einer Musik, die für sie Projektionsfläche ihrer pubertären Sentimentalität war. Robert John-sons Love in Vain ist bei den Rolling Stones zu einer selbstmitleidigen Hymne pubertären Liebesleids geschrumpft. Die Rezeption klanglicher und musikalischer Parameter der schwarzen Musik führte zu jenem Heavy-Rock der späten sechziger Jahre, der in den schwülstigen Klangmassen und ihrem trägen Sich-dahin-Wälzen bei Spooky Tooth gipfelte; ständig nachhinkendes, retardierendes, ins ständige Ritartando fallendes, sich verlangsamendes Schlagzeug, power-chords auf die Eins und ein voluminöser Bass im gleichen Duktus, zwei distorted Hammonds sowie die Kontrastierung beider Stereotype männlicher Hard-Rock-Stimme, der kraftvoll rau aus voller Brust schreienden und der im Kopfstimmenregister angesiedelten nasal hysterisch kreischenden, markieren dieses Paradigma von Heavy-Rock. Diese 29 Die beiden Proponenten, die guten Jungs, die Beatles, und die bösen Jungs, die Rolling Stones, duellierten sich am Musikmarkt mit ähnlichen Produktionen um die Gunst der Käufer.