280 The exciting Sound of Pop und die typischen Intros in die gitarrendominierte Pop-Musik ein. Die Funktion einer Rhythmusgitarre wird überflüssig. Gruppen wie die Rolling Stones dürften die Rhythmusgitarre anfänglich eher als Referenz an den Mersey-Beat eingesetzt haben, um am erfolgreichen Rezept teil zu haben. Auch das äußere Erscheinungsbild von Brian Jones ähnelt mehr dem eines Pilzkopfes als dem eines trotzigen Stones; die Reaktionen der jugendlichen Mädchen waren durchaus ähnlich wie beim Erscheinen von Paul McCartney. Andere Autoren meinen, Brian Jones wäre deswegen bei den Stones, weil er einen großen Besitz von alten R&B-Platten hatte – neben der episodischen Qualität stützt diese Aussage die Annahme einer Nachspielphase (LARKEY 1993) auch in der Herausbildung des britischen Pop. Die Verschmelzung der beiden Stile führt Mitte der sechziger Jahre zu einem Sound-Bild, das am ehesten mit Heavy Beat umschrieben werden kann. Die nunmehr einzige Gitarre ist angezerrt (crunchy) oder verzerrt und wird (auch deshalb) nur auf betonten Taktteilen geschlagen; die interne Ausdifferenzierung des Rhythmus übernehmen ein zunehmend weniger monoton gespieltes Schlagzeug und ein mehr rhythmisierter Bass oder ein die Schwere der Musik betonender, voluminöser, fast dröhnender Bass (meist über Vox-Amp gespielt, der einen präzisen Anschlagknacks, damit Rhythmisierung, durch den enormen Hub des überdimensionierten Laut-sprechers bringt, zugleich aber durch das Reflexsystem ein weiches Sustain). Der Heavy-Beat ist auch noch dadurch charakterisiert, dass übersteuerte und damit verzerrte Orgelsounds zusätzlich die Schwere der Musik unterstützen. Das Leslie (Phasing) ist zusätzlich eine adäquate technische Möglichkeit des Instruments psy-chedelische Sounds zu erzeugen. Phasing ist ein Effekt, der durch die Nutzung akustischer Gesetze (die langsam modulierte Phasenverschiebung zweier identischer Signale, wodurch Klangveränderungen ähnlich einer extremen Verschiebung der Zentralfrequenz eines Bandpassfilters) die psychische Wahrnehmung von schweben-den Klängen erzeugt. Er ist die Transformation psychedelischer (Un-) Wirklichkeit im Akustischen und wurde dementsprechend oft und leichtfertig in der Hochblüte psychedelischer Geisteshaltung am Beginn der zweiten Hälfte der sechziger Jahre eingesetzt. Eine jener Gruppen, die für den Heavy-Beat und für den beginnenden psychedeli-schen Sound typisch ist, sind die Small Faces, vor allem mit ihrer Soundgestaltung auf der Konzept-LP Odgen’s Nut Gone Flake (Immediate Records Ltd. 1967). Der ursprünglich zur tontechnischen Kontrolle der Aufnahme und Übertragung von akustischen Signalen, zur Vermeidung von Übersteuerungen und zur optimalen Nutzung des Dynamikbereichs konzipierte Kompressor wird von seiner nicht hör-baren, dienenden Funktion zum hörbaren Instrument. Vor allem in Rolling Over komprimieren die Becken das gesamte Klanggeschehen. Die Nivellierung der dyna-mischen Unterschiede bringt eine Verdichtung des sich träg dahinwälzenden Kampfs des Cymbals mit dem übrigen Klangkonglomerat um die akustische Vorherrschaft und legt damit einen technisch erzeugten pumpenden Metarhythmus über den Song. Der schwebende Charakter des pumpend komprimierten Sounds wird dann in psychedelischen Formen zugleich wirkungspsychologisch wie ikonisch-zeichenhaft als innermusikalischer Parameter zur Erzeugung eines emotionalen Konzepts verwendet. Studiotechnisches Equipment wird hackerartig als Instrument gebraucht, eine der Vorstufen zum Studio als Instrument.