282 The exciting Sound of Pop Die Verinnerlichung der Pop-Musik der späten sechziger Jahre brachte aber auch für die Entwicklung des Rock’n’Roll – vom puristischen Standpunkt einer agita-torisch wirkenden und daraus entstandenen Körpermusik aus betrachtet – eine unheilvolle Auswirkung. Ihre funktionale Qualität tauschte sie gegen eine mediale, ihre hedonische Existenz und darin politische Potentialität gegen einen explizit aufklärerischen Anspruch: Gemeinsam mit der politisch konnotierten Authentizi-tät nahm die Intellektualisierung zu. Politisches Sendungsbewusstsein führte zu literarischem Anspruch der Texte, zur intern konsistenten Gliederung von LPs, zu Konzeptalben. Das musikalische Kleid musste dem entsprechen und nahm Anleihen bei George Martin-Produktionen, der Adaption des in der Musikavantgarde vollzo-genen Etablierung des Studios als Instrument in die Rockmusik, einem klassischen Musikverständnis entsprungenen. Der spätromantische Genius beginnt die hedo-nische Körpermusik kultivierend zu bestimmen. Vordergründig war Gigantomanie im technischen Equipment (inszeniert bei Pink Floyd auf Plattencovers und z. B. im Film Pompeji mit langandauernden Slow-Motion-Kamerafahrten entlang der pompösen Verstärkerwände zum sinoiden Sonar von Echoes der Lp Meddle 1971) in den Pop eingedrungen, sie bestimmte die Motivation ein Pop-Opus zu kompo-nieren. Nicht zuletzt wurde auf breites Arrangement und spieltechnische Fertigkeit geachtet, um gleichsam Einzigartiges zu schaffen: Der Schritt vom aufwiegelnden, unmittelbar bewegenden Pop-Song zum für immer gesetzten und damit erstarrten Pop-Werk war getan. In der Gruppe Deep Purple wurde im ewigen Streit zwischen U und E der beiden Protagonisten, des Rock-Gitarristen Ritchie Blackmore und des vom »klassischen« Bereich kommenden Organisten Jon Lord, der Kampf dieser ästhetischen Welten gewinnbringend hochstilisiert. Dieses bürgerlich orientierte Tun gipfelte im Art-Rock, in der Adaptation von klangträchtigen Werken E-musikalischer Herkunft. Verständlicherweise, weil diese einerseits dem musikalischen Verständnis der Rockmusik am nächsten ist, ande-rerseits kann der Prunk ernsthafter Musik dadurch am besten dargestellt werden (vgl. WALSER 1993); auf diese Art und Weise verführte Art-Rock die damalige gebildete Jugend zu besserem, weil weißerem Musikverständnis. Die Musikpädago-gik jener Tage Anfang der siebziger Jahre war es auch, die in Anbiederung solche Pop-Musik als ein Mittel missbrauchte, um die Jugend an die wahren Werte unserer Vorfahren heranzuführen (HARTWICH-WIECHELL 1974). Als Rockmusik adaptierte, klangschwülstige, programmatische und Gefühls-Bilder wie Virtuosität zeigende Barock-Musik Nice’scher Machart und ihre Fortführung in Emerson Lake and Pal-mer ließ sich dazu gut gebrauchen; Musik aus dem Geiste der Rockmusik entlarvte sich in den Augen jener Pädagogen, die mit Kriterien der E-Musik Rock-Musik maßen, selbstverständlich als trivial (RAUHE 1968). Dieser inadäquaten, pädagogisch motivierten, musikwissenschaftlichen Analyse nach Form, Harmonik und Melodie der Kunstmusik wurden erst in den achtziger Jahre klanganalysierende Methoden und die vorrangige Beachtung der motorischen und ideologischen Funktion von Pop-Musik entgegen gestellt. Dieses weiße, letztlich stets romantisches Kunstschaffen wollende wie »Orien-tierung an romantischen Künstlerbildern« (HEISER 1997, S. 40) suchende Musik-verständnis löste den aus dem schwarzen R&B kommenden Rock immer mehr von seinen Wurzeln. War dies bei Elvis Presley zur Rettung der Nation intendiert,