284 The exciting Sound of Pop die starke britische Industrie – abtrünnig und spielten dort in der freien Kunstszene mit. »Richard Hamilton war nicht nur einer der wichtigsten Vertreter der englischen Pop-Art, sondern auch einer ihrer frühesten Theoretiker. 1954 hatte der Kritiker Lawrence Alloway erstmals von ›Pop‹ gesprochen und damit noch ausschließlich industriell gefertigte kulturelle Produkte gemeint, Filme, Magazine, Musik, Poster. Drei Jahre später verkündete Hamilton nun, Kurzanalyse und Manifest in einem: ›Pop Art ist: populär (für ein Massenpublikum gemacht), vergänglich (Kurzzeitlösun-gen), überflüssig (leicht vergessen), billig, massenproduziert, jung (auf Jugendliche zielend), witzig, sexy, gimmickhaft, glamourös, Big Business‹« (HEISER 1997, S. 39) In den USA waren es diese »informelleren, unabhängigen Kunstinstitutionen und Avantgarde-Treffpunkte« (HEISER 1997, S. 40), die die Annäherung von Pop und Art brachten. Hamilton wie Warhol gründeten ihr Verständnis von Pop auf dem des Designs, der funktionalen Einheit von Form und Image zur massenhaften Ver-breitung von Gütern. Bediente sich Warhol selbst der Maschinerie der Rockmusik, taten dies in Großbritannien die Abkömmlinge der Art-Schools: Lennon, Ferry, Pete Townsend, Malcolm McLaren. Pete Townsend führte »die kalkulierten Exzesse seiner Bühnenshow auf die ›Auto-destructive Art‹ des Fluxus Künstlers Gustav Metzger zurück, der während eines Gastvortags an der Ealing-Art-School einen E-Bass zerstört habe« (HEISER 1997, S. 40) Virginia Plain vollzieht die Sehnsucht nach dem »on the road Feeling« des Beatnik-Amerika von Hamilton-Schüler Brian Ferry, der 1964 in seiner Klasse ein gleichnamiges Bild malte. Lennon wechselte inszeniert sein Leben. »From Pop to Art [bedeutete] für Lennon den medial ausge-tragenen Rückzugsversuch vom begehrten Popobjekt zum symbolisch handelnden Künstlersubjekt« (HEISER 1997, S. 41). McLaren designed nicht nur sich selbst, er designed eine Bewegung und das nicht nur in der medialen Öffentlichkeit, sondern unter Benutzung dieser. Er hat aus Art Pop gemacht und damit Art demaskiert, die Mechanismen hier wie dort klargelegt im Great Rock’n’Roll Swindle30 (1979). Das was sich unter der Bezeichnung Art-Rock herausbildete hat wenig mit dem Crossover von Pop und Art zu tun, als mehr mit dem sentimentalen, jugendlich wei-ßen Romantizismus europäischer Kulturausformung und der intellektuellen Attitüde dieser in der amerikanischen Jugend. Von welcher Seite beeinflusst oder durch welche Art der Grenzüberschreitung genährt, Art-Rock entstand. Wie auch immer dieser bewertet wird, eines hat sich mit ihm vollzogen: Die weitere Entfernung des Rock’n’Roll vom ursprünglich schwarzen Lied voll der unmittelbar emotional wirkenden Präsentanten (vgl. LANGER 1953) hin zu einem intellektuell konstruierten musikalischen Gebilde. Ein Motor dazu ist die allgemeine Intellektualisierung der Pop-Musik, die mit dem vom Gedankengut der Beatniks getränkten, in der Subkultur des New Yorker East Village rund um die Exzentrizitäten des Andy Warhol-Clans31 angesiedelten Folk in die Rockmusik einzog. 30 Gemeinsam mit dem Video-Clip-Regisseur Julian Temple. 31 Die von Warhol protegierte experimentierende Kultband Velvet Underground, eine Symbiose des Literaten Lou Reed und des Musikers John Cale verlor 1967 ihre Sängerin Nico, die in den Folk abwanderte. Einige der Texte und Kompositionen auf ihrer Solo LP Chelsea Girl stammen vom Wunderknaben des introspektiven Folks, Jackson Browne. Pop-Art und Musik thematisiert Alenka KERSOVAN (1996).