2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 285 Seit Mitte der sechziger Jahre vollzog sich in Amerika eine andere Vereinnahmung des Happy Sound des Mersey Beat durch amerikanischen Intellektualismus, der sich in seiner musikalischen Form dem Pop explizit berechnend öffnete. Joan Baez greift auf die Liedermacher-Tradition der amerikanischen Gewerk-schaftsbewegung zurück und gebraucht das Lied als Medium, um Botschaften zu transportieren. Wie dies anderen Revolutionen und Bewegungen eigen ist, ist das lyrisch narrative Lied, die Verballhornung aller Ansprüche in emotional hoch be-setzter Form und darin ein gemeinschaftsstärkendes Medium, möglicherweise auch die Eroberung neuer Communities. Baez erzählt in einem Lied vom Traum, den Gewerkschaftskämpfer Joe Hill getroffen zuhaben »alive as you and me« und sie spielt dabei mit der emotionalen Macht in literarischer Ver-Dichtung. Alle Signs des Arrangements und der Auftritte vermitteln Botschaften – kein hedonisches Pop-Element zerstört die aufklärerische Haltung. Bob Dylan öffnete mit dem Griff zur E-Gitarre die Tore zu den Hörermassen der Pop-Musik und Roger (»Jim«) McGiunn machte mit der Nutzung der den Sound der Gruppe »Byrds« prägen-den 12-saitigen Elektrogitarre eine Rückgriff auf den unbeschwerten Sound der Liverpooler- und gesangsdominierten Manchester-Stile. Er macht damit den Sound des Beat kompatibel mit dem des Folk. Der Mr.Tambourine Man ist paradigmatisch puristischer Folk und massenhaft rezipierbarer Pop. Schritt für Schritt hat sich eine aufklärerische politische Szene von Literaten im Nachfeld der Beatniks den Pop-Markt als Sprachrohr und Verstärkeranlage erobert. Musikalisch hat der Pop den Folk verändert seit Roger McGuinn diese Symbiose zwischen Mersey-Beat und Folk mit seiner 12-saitigen-Rickenbacker 360 E-Gitarre soundmäßig niederschrieb. Sein Anspruch war stets der des Literaten, ideologisch stand er Dylan und damit den Beatniks nahe. Ursprünglich mit Studiomusikern aufgenommen, später mit seinen Byrds hat Roger McGuinn Dylans Mr.Tambourine Man (1965) und damit Grundhaltungen der Beatnik-Philosophie einem anderen und breiten Publikum nahe gebracht. Ein politischer Feldzug mit dem Sound des folkish Mersey-Beat, genauer: des noch stärker auf die Betonung von (gerade 12- saitiger) Gitarre-Gesang-Arrangements basierendem Manchester Beat. Graham Nash, Sänger der Hollies, wird später diese Fusion mit dem undergroundigen Folk- Rock explizit mit Crosby, Stills, Nash and Young (erstmals öffentlich in Woodstock 1969) weiterführen und damit die hier gezogene Verbindung belegen. Dylan tat den prägenden Schritt in Richtung Eroberung der jugendlichen Massen. Mit der gezielten Absicht, das größere Pop-Publikum zu erreichen, also Pop als Medium für die literarisch ausgedrückte Philosophie der Beatniks zu gebrauchen, begleitete er sich selbst auf einer Elektrogitarre am Newport-Festival (1964), wo Traditionalisten und Schwarze ihr erdiges Lied zelebrierten. Dylan engagierte später eine eigene Gruppe zu seiner Begleitung, »The Band«, die parallel zu ihrer Tä-tigkeit als Begleitband im Outfit der Zeit des Amerikanischen Bürgerkriegs von den einfachen Dingen des amerikanischen Landlebens sang, ihre Musik klang wie ein amerikanisches Volksmusikarchiv. Die restaurative, konservative Haltung der Gruppe äußert sich in einer Aussage ihres Gitarristen Jaime »Robbie« Robertson, der den späteren (Ende der sechziger Jahre) Erfolg der Gruppe kommentiert: »Lan-ge genug haben die Leute eine Konservendose als Kunst angesehen und sich an Rückkoppelungsgeräuschen berauscht. Jetzt sagen sie: Laßt uns mal wieder eine