2.6 Stufen der Unmittelbarkeit des Musizierens im Pop 287 entzieht sich durch die scheinbare Integration – Kampf von unten, oder Kampf von innen: Punk und Hackertum kennzeichnen die nächsten Phasen politischer Aktion in Pop mit dem distorted Sound der Übersteuerung: Nun nicht nur der Gitarre aus den betonten Takteilen klingend, sondern im Quartolen-Drive geschlagen, und dominant der Stimme. Gegen Flucht in die passive Innerlichkeit, Flucht auf das untätige Land, Flucht zurück in bürgerlicher Romantizismen wendet sich die Wahrnehmung von politischer Ohnmacht in no future des Punk einerseits, andererseits in ungetrübten Hedonismus des Techno. Die siebziger Jahre bringen jenen politischen Wandel, der soundmäßig den driving beat, den exciting sound von machines adäquat gebraucht – ein Sound, der sich explizit an der Rezeption des Black Soul orientiert, an jenen Formen, die Tamla Motown für die Weißen produzierte, und diesen bereits in technische Hüllen fasste. Das amateuristische Gitarrengetöse bildet den anderen soundmäßigen Pol der no future generation, das mit der kreischenden Stimme in der niederkompri-mierten Klangmasse verschmilzt. Diese Antithese zum prunkvollen Art-Rock hat Vorfahren im amerikanischen Punk der sechziger Jahre, der gegen die Dominanz des importierten Happy Beat der zweiten Generation und die einheimische, noch unbeschwertere Surf-Musik ins Studio zog. 2.6.6 Aspekte des Kunstvollen abseits des Art-Rock Es ist einsichtig, dass (jene) Pop-Musik, die Gegenhaltung unspezifisch, aber unmit-telbar artikuliert, klanglich auf der anderen Seite angesiedelt ist, auf jener Seite, die abseits des im Konzert virtuos gespielten Gitarreklangs und abseits der von weißer Hand mit mitteleuropäischem Hochkulturkunstverständnis im Studio gemach-ten populären Musik liegt. Dieses Kunstverständnis drang primär durch George MARTIN in die Pop-Musik. Bei allen hörbaren restaurativen Zügen des Transfers der Kompositionstechniken der musique concrète auf die Pop-Musik legte er den Grundstein für eine weitreichende Innovation der klangdominierten Pop-Musik, dem Studio als Instrument. Mit dem künstlichen Klang verbindet sich zuerst kunstvolles Musizieren und Glorifizierung der Technologie. Mit schöpferischem, kompositorischen Denken (im Tonstudio in Musik umgesetzt) und handwerklich perfektem, kontemplativen Musi-zieren (der Guitar-Heroes in Super-Groups) ist das hedonische amateuristische Spiel der frühen sechziger Jahre überwunden. Beide letztlich restaurativen Attitüden werden mit dem Amateurismus des Techno wiederum überwunden, der Klänge nicht über musikbezogene Techniken, sondern über Bearbeitungsmöglichkeiten der elektronischen und digitalen Technik organisiert, um körperlich zu erregen. Im Verein mit der Verfügbarkeit der eher natürliche Klänge nachzeichnenden als neue Klänge generierenden (letztlich am Sound-Ideal der distorted guitar und ihrer Spielweise orientierten) elektronischen Instrumente in der Pop-Welt hat die Übertragung musikalischen und klanglichen Denkens der E-Musik auf den liedhaften Beat zu pop-unspezifischen Hervorbringungen im sogenannten Art-Rock geführt, wo spätromantisches Genietum mit Virtuosentum, mit Klangbombast und Technologie- Show vereint herrschten. Dies gipfelte wohl plakativerweise in den Adaptionen von (geeigneterweise programmatischer und damit ikonischer also selbst bereits